F2562.

Im gewissen Sinne erinnerte mich Danien Wolf an mich selbst

Vorgeschichte: F2285. Diro von Karst: Tharrs Gespräche mit der galaktischen Konföderation waren ein voller Erfolg gewesen, mit dem etwas kuriosem Ergebnis, daß wir jetzt als die Fachleute für Drachen bekannt waren

Diro von Karst erzählt:
Dira von Leuenhorst hatte sich zuerst um die Echsen gekümmert, da sie in dem Sternensystem gewesen war, in dem das Kurierschiff mit der Botschaft angekommen war und hatte uns so schnell wie möglich ein Kurierschiff zugeschickt. Diesmal war es ihr sogar gelungen, schneller als das Zuchtmenschennnetz zu sein. Andererseits lag das möglicherweise genau daran, daß die Zuchtmenschen diesen Frieden wollten, weil eine der Vertragsbedingungen war, daß die Echsen kein Menschenfleisch mehr essen. Außerdem sind Kurierschiffe nun mal die schnellsten Schiffe, die wir besitzen, daher können sie jede andere Kommunikation überholen und ich habe den Eindruck, daß die Zuchtmenschen inzwischen einfach darauf achten, mir alles so schnell wie physikalisch möglich zukommen zu lassen, was ich wirklich lesen muß. Früher konnten sie aus offensichtlichen Gründen kein Interesse daran gehabt haben.

Ich kam zu dem Schluß, daß der Friedensvertrag ernst gemeint war, daß Danien Wolf alle wichtigen Personen bereits überzeugt hatte, aber Anzeichen von Streß zeigte und deshalb eine Versicherung brauchte, daß alles in Ordnung war. Ich ließ ihn also in mein Büro rufen, führte ein sehr interessantes Gepsräch über die Echsenkultur mit ihm und versucherte ihm, daß er mich und das Königshaus bereits davon überzeugt hatte, daß der Friedensvertrag eine gute Idee war und daß er lediglich noch etwas warten mußte, bis der Rest unserer Leute das auch glaubt.

Währen Turin als König die offiziellen Verhandlungen führte, hielt ich mich mehr im Hintergrund und wertete zusammen mit dem Palastgehirn Geron vom Silbersee, Saman XZB12-123-77 und Selis vom Dung die Informationen des Zuchtmenschennetzes, die Überwachungsdaten der Verhandlungen und informelle Gespräche mit unbedeutenden Personen aus. Natürlich durfte man auch Danien Wolf nicht aus den Augen lassen, weil er die zentrale Person der Verhandlungen war. Andererseits durfte er natürlich auch nicht erfahren, was meine Arbeit im Hintergrund eigentlich war, weil Menschen anfangen schlimme Dinge zu vermuten, wenn sie merken, daß man sie intensiv überwacht. In Wirklichkeit war ziemlich schnell klar geworden, daß die Echsen ein sehr dringendes Interesse an einem Friedensvertrag hatten, weil wir dabei waren, ihre Kultur ziemlich schnell zu besiegen. Es würde zwar noch zehn oder zwanzig Jahre dauern, bis wir sie endgültig platt gemacht hätten, aber der Zeitraum war kurz genug, daß sie sehr dringend nach einer akzeptableren Alternative suchten. Es ging bei meiner Arbeit letztlich darum herauszufinden, wo Mißverständnisse aufgetreten waren und sicherzustellen, daß wir alle den Vertrag, den wir letztlich schließen, gleich verstehen. Außerdem hatten mir die Zuchtmenschen erklärt, daß ein dauerhafter Frieden nur möglich war, wenn die Echsen genauso wie unser Reich daran arbeiten, den inneren Frieden der eigenen Kultur zu verbessern und Unterdrückungssysteme durch demokratische Strukturen zu ersetzen.

Danien Wolf, so viel war klar, war die treibende Kraft hinter den Friedensverhandlungen. Ich beobachtete ihn sehr genau und dasselbe taten dutzende anderer Leute. Danien war sich dieser Überwachung auch bewußt, denn er erklärte Sachverhalte, die ich wissen mußte, sehr oft Personen, die sie nicht unbedingt wissen mußten, damit sie da ankamen, wo sie gebraucht wurden. Danien war auch ausgesprochen kompetent - er kannte Details aus der Echsenkultur, von denen auch die Spionageberichte des Zuchtmenschennnetzes nichts berichteten und wachte mit Argusaugen darüber, daß keine Mißverständnisse auftraten. Er war sich des Mißtrauens bewußt, das ihm entgegengebracht wurde und fand erstaunliche indirekte Methoden, jegliche derartige Theorie wirklungsvoll zu widerlegen. Ich muß sagen, daß ich auch mißtrauisch war, denn er war ein kluger Mann, der, wenn man mich fragt, kein einziges Mal während der monatelangen Verhandlungen, in denen wir ihn in jeder Hinsicht sehr unter Druck setzten, den Überblick verloren hat. Man kann nicht sagen, daß er nie die Beherrschung verloren hat, dazu haben wir ihn zu sehr belastet und er ist einige Male in Tränen ausgebrochen, aber ich bin überzeugt, daß er uns in jeder dieser Situationnen nur das hat sehen lassen, was er uns sehen lassen wollte. Und das war wirklich erstaunlich, wenn man bedenkt, was in seiner Zuchtmenschenakte über den Danien Wolf steht, der er war, bevor er in Gefangenschaft der Echsen geriet. Muß dieser junge Mann vorher lieb, naiv, selbstgerecht und einfältig gewesen sein! Er war nicht im eigentlichen Sinne dumm gewesen, aber von der vielschichtigen und tiefsinnigen Persönlichkeit, die mir bei den Verhandlungen begegnete, war in seiner Zuchtmenschenakte nichts zu lesen!

Ich war nach dem Gespräch tief beeindruckt durch Daniens tiefgründige Persönlichkeit, die überhaupt nicht dem sehr oberflächlich denkendem Menschen entsprach, der er gewesen war, bevor er bei den Echsen in Gefangenschaft geraten war. Er hatte da eine sehr ähnliche Entwicklung durchgemacht, wie meine Fahrt in der Thorion in mir ausgelöst hatte. Ich hatte damals begriffen daß es in der Welt Weisen zu denken und zu fühlen gibt, die ich mir vor dieser Zeit nicht einmal hätte vorstellen können und hatte mein Weltbild, mich selbst und die Welt seither immer tiefergehender hinterfragt und mit jedem Jahr mehr dazugelernt. Er hatte zwar als ursprünglich überkorrekter Gutmensch einen völlig anderen Ausgangspunkt, aber dieses sein Weltbild, sich selbst und die Welt immer tiefergehender hinterfragen, hatte bei ihm mit der Kriegsgefangenschaft ebenfalls begonnen und was er dadurch dazugelernt hatte war wirklich beeindruckend. Ich hoffe, daß ich noch öfter Gelegenheit habe, mich mit ihm zu unterhalten.

Im gewissen Sinne erinnerte mich Danien an mich selbst. Natürlich war sein Ausgangpunkt ein völlig anderer gewesen, aber letztlich war auch meine Sicht auf die Welt, wie ich sie als junger Mann gehabt hatte, in gewisser Weise naiv gewesen. Ich hatte gedacht, außer Mord und Totschlag gibt es nichts auf der Welt, er hatte ein naives "Wir sind die Guten und die anderen sind die Bösen"-Weltbild gehabt. Aber wir beiden hatten eine Erfahrung gemacht, die absolut beängstigend gewesen war, die teilweise durchaus schlimm gewesen war. Meine Güte damals auf der Thorion hatte ich befürchtet, ich hätte jetzt eine Querschnittslähmung. Wir waren beide zeitweise überzeugt gewesen, wir würden sie nicht überleben und waren aus dieser Erfahrung als bessere Menschen hervorgegangen. Ja, auch Danien ist ein besserer Mensch, denn wer sich selbst für den Guten hält, kann oft ausgesprochen grausam zu Menschen sein, die nicht in sein naives Weltbild passen. Und wir beide schätzen das Gelernte genug, um uns zu sagen, daß es die Erfahrung wert war. Das allerdings finde ich bei Danien besonders bemerkenswert, denn was ich erlebt hatte, war im Vergleich dazu harmlos. Immerhin bin ich jetzt wieder völlig gesund.

Jetzt war es aber an der Zeit, Danien auf seinen Posten als Botschafter vorzubereiten, denn außer ihm kam nun wirklich niemand dafür in Frage.

Nach diesem Gespräch kehrte ich, wie Tharr gewünscht hatte, zu ihm zurück und schilderte ihm meine Eindrücke.

Kersti

Fortsetzung:
F1547. Danien Wolf: "Wir haben zwar die ein oder andere Verschwörungstheorie gewälzt, aber letztlich haben sie mich in jeglicher Hinsicht überzeugt." antwortete der Sicherheitschef Diro vom Karst

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben