F2608.

Einer meiner Patienten kam mit den Wunsch zu mir, daß er lieber bei Silas aus dem Tal behandelt werden will

Vorgeschichte: F2607. Silas aus dem Tal: Geron fand übrigens, daß ich mir um Sirach keine Gedanken machen mußte, weil der Prinz sich für mich eingesetzt hatte

Sirach von Tyr erzählt:
Einer meiner Patienten kam mit den Wunsch zu mir, daß er lieber bei Silas aus dem Tal behandelt werden will. Ich fragte ihn, warum um alles in der Welt er das wollte, wenn die doch nicht einmal eine richtige Behandlung bekommen.
"Das stimmt so aber nicht. Die Behandlung, die sie bekommen, ist sehr gründlich und es hilft jeder dabei mit, daß wirklich jeder wieder auf die richtige Spur kommt. Am Anfang hat es mir gut getan, daß mal nichts von mir verlangt wurde, aber jetzt möchte ich wieder richtig in den Beruf kommen und dazu brauche ich das, was Silas macht." widersprach er.
Ich war verblüfft und geradezu schockiert von dieser Antwort, achtete aber darauf, ihn nicht anzufahren, wie das meiner jetzigen Stimmung entsprochen hätte, weil das seinem neu erwachten Widerspruchsgeist geschadet hätte, der nun einmal zu einer gesunden Persönlichkeit dazugehört. Ich sagte ihm, daß er das selbst entscheiden könne, wenn er wolle und forderte ihn auf, sich damit an Silas zu wenden, weil er dessen Einverständnis dafür ja auch bräuchte.

Als er wieder gegangen war, blieb ich erst einmal sitzen und erholte mich von meiner Verblüffung. Dann dachte ich nach, kramte mir Silas Therapiekonzept wieder heraus und las es noch einmal in Ruhe durch. Beim ersten mal hatte ich wohl einfach nicht richtig gelesen. Er hatte nicht geschrieben, daß die Leute einfach normal wieder arbeiten sollten, sondern daß sie an Stellen eingesetzt werden sollten, wo auch dann keine Katastrophe geschieht, wenn sie überhaupt nichts leisten. Sie sollten dort eine Aufgabe zugewiesen bekommen, wo sie schon eine sinnvolle Arbeit leisten sollten und bei denen immer wieder kleine unwichtige eigene Entscheidungen gefordert waren. So etwas wie "Willst du das weiße oder das schwarze Handtuch benutzen?" und es sollte nicht geduldet werden, daß sie sich vor der Entscheidung drücken, sondern erst eine Bestätigung erhalten, daß es gut ist, wenn sie tatsächlich eine eigene Entscheidung getroffen haben. Wenn ich mir das jetzt in Ruhe durchlas, klang es doch wie ein Therapiekonzept und nicht - wie es mir zuerst vorgekommen war, als hätte er verlangt, daß sie einfach sofort wieder normal arbeiten. Es stand dann zu lesen daß die Arbeitsbedingungen nach und nach abgewandelt werden sollten, bis sie wieder die Aufgaben erfüllen können, die sie früher auch erfüllt haben.

Ich dachte, daß ich mich vielleicht doch einmal darum bemühen sollte, mit Silas in Gespräch zu kommen. Dafür hatte ich ja auch genau den passenden Vorwand, denn ich konnte es meinem Patienten sicherlich auch nicht ganz alleine überlassen, alles mit Silas abzusprechen.

Ich schrieb meinen Kollegen also an und bat ihn um einen Termin, da einer meiner Patienten in sein Therapiekonzept wechseln wolle. Silas hatte sofort Zeit für mich, allerdings mußte ich auf die Raumstation kommen, da seine Patienten dort arbeiten würden und ich wolle doch sicherlich das Therapiekonzept in der Praxis sehen, daher würde es umgekehrt keinen Sinn machen? Ich stimmte ihm zu, war aber verwirrt ob dieser Frage. Es wirkte einfach zu betont freundlich.

Wir verabredeten den genauen Zeitpunkt und ich flog mit öffentlichen Verkehrsmitteln hoch. Ich konnte die Fahrt als Dienstfahrt abrechnen, besonderer Luxus war aber für so etwas nicht vorgesehen. Oben wartete schon jemand auf mich, um mich abzuholen und stellte sich als Galis von der lichten Höhe vor. Ich fragte ihn, wie Silas aus dem Tal denn so war. Er warf mir einen Blick zu und sagte:
"Irgendwann hat er mich gefragt, ob ich den Preis für die kreativste Methode, Entscheidungen zu vermeiden, gewinnen wollte. Ich habe zurückgefragt, ob ich so schlimm wäre. Er antwortete, daß alle, die die Gehorsamsübungen durch hätten, Entscheidungen vermeiden, daß ich aber außergewöhnlich kreativ dabei sei und er hätte sich gedacht, daß man diese Kreativität auch für etwas Sinnvolles verwenden können muß. Ich habe dann öfter mal darüber nachgedacht, denn damit hatte er ja recht. Ich habe dann entschieden, daß ich gerne in Forschung und Entwicklung arbeiten will, um meine kreativen Fähigkeiten besser auszunutzen."
Das war auch eine kreative und nebenbei sehr erhellende Antwort. Zunächst einmal hatte er mal wieder seine Kreativität verwendet, um eine Entscheidung zu vermeiden. Ihm war nämlich nicht klar gewesen, ob ich nach Silas Persönlichkeit oder nach seiner Therapie hatte fragen wollen und er hatte mit einer kurzen Anekdote eine Antwort auf beides gegeben, ohne sich zwischen beiden Möglichkeiten zu entscheiden. In der Form konnte man das aber nicht als krankhaft bewerten, denn die Antwort war wirklich in jeder Hinsicht angemessen ohne ein erkennbar krankhaftes Muster zu zeigen. Außerdem zeigte es, daß Silas nicht nur über Schwächen nachdachte, sondern sehr sorgsam auch darauf achtete, die Stärken der Leute wahrzunehmen und seine Patienten in die Richtung zu beraten, daß sie diese Stärken auch nutzen. Außerdem war er dabei so zurückhaltend gewesen, daß Galis es nicht als Befehl auffassen konnte und seine eigene Entscheidung getroffen hat. Ich fragte ihn, ob er sich denn für einen der erfolgreichsten Fälle von Silas halten würde.
"Nein. Die erfolgreichsten Fälle sind schon längst wieder in Arbeit. Damit meine ich nicht die, um die sich Silas auf dem Flug zurück zum Hauptplaneten gekümmert hat. Sie scheinen es zwar irgendwie geschafft zu haben, aber daß sie wieder voll mit eingespannt wurden, kam für sie alle etwas zu früh. Da haben sie jeden der so aussah, als könne er einen Hammer halten, einfach für diensttauglich erklärt. Sie scheinen irgendwie zurechtgekommen zu sein, aber nach dem, was sie so erzählt haben, hätte ich nicht an ihrer Stelle sein mögen, als Silas hierher versetzt wurde und sie einfach ihre normale Position wieder einnehmen sollten. Silas ist auch dieser Ansicht. Ich meine die, die in Absprache mit Silas regulär und auf eigenen Wunsch wieder eine volle Stelle übernommen haben." erklärte er.
"So etwas gibt es?" fragte ich erstaunt. Nebenbei bemerkt war auch interessant, daß auch seine ersten Patienten wieder seinen Kontakt gesucht haben. Er muß ihnen sehr weitergeholfen haben.
"Ja. Vier Leute haben das bereits getan und wie ich gesagt habe, ich suche mir jetzt gerade die passende neue Stelle." antwortete er.

Wir waren an Silas Büro angekommen und wurden sofort hereingebeten. Silas und sein Patient tauschten ein paar Bemerkungen aus, die wie eine freundschaftliche Kabbelei wirkten und damit zeigten, daß Silas ihn irgendwie so weit gebracht hatte, daß er darauf nicht mehr mit den durch die Gehorsamsübungen entstandenen Ängste reagierte. Dann ließ Galis mich mit Silas allein.

Kersti

Fortsetzung:
F2609. Silas aus dem Tal: Ich hatte beschlossen, daß ich Sirach behandeln würde, als wäre er einer meiner Patienten

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben