Danach ging ich zum Gasthaus und besuchte dort die Tochter des Hauses, die
bei dem Attentat die Bedienung gemacht hatte. Sie war das Mädchen, das
ich heiraten wollte. Als ihr Vater sie rief und ihr sagte, daß ich da
sei, kam sie nur langsam und zögernd. Nicht so stürmisch wie
sonst immer.
"Als ich krank war, hast du mich nicht besucht." sagte ich
leise.
Es war kein Vorwurf, es war eine Frage.
"Doch. Einmal. Du hast geschlafen. Ich konnte es einfach nicht
ertragen, das da zu sehen."
Sie schaute auf meinen Armstumpf.
"Und jetzt?" fragte ich.
Sie sah mir in die Augen, schämte sich für das, was sie sagte und
sagte es doch:
"Ich will nicht mehr."
Ich atmete tief ein, versuchte irgendwie den tiefen inneren Schmerz unter
Kontrolle zu bekommen. Ich sah sie an, sparte mir die zornigen Worte, die
mir in den Sinn kamen. Ich konnte sie nicht zwingen, mich zu lieben und
etwas anderes als Liebe - beispielsweise Mitleid - wollte ich nicht. Ich
drehte mich nur schweigend um und ging.
Nach den Erfahrungen von Vortag, wußte ich, daß es jetzt Zeit für mich war, zu Bett zu gehen. Ich weinte mich so leise, daß es keiner hörte, in den Schlaf.
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/ E-Mail an Kersti
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