Zuerst wollte mir nichts einfallen. Die weitaus meisten Arbeiten fielen schon deshalb heraus, weil sie mehr Körperkraft erforderten, als ich aufbringen konnte, ohne dabei zu riskieren, daß die Wunde wieder aufreißt. Weiteres kam nicht in Frage, weil ich nicht gerade die Arbeiten zu meiner Hauptbeschäftigung machen wollte, die ich noch nie hatte ausstehen können.
Ich grübelte einige Wochen, ohne daß mir etwas einfiel. Aber ich war nicht bereit, aufzugeben. Bei Gesprächen mit meinem Bruder kam er regelmäßig auf dieses Thema und ich mußte immer wieder zugeben, daß ich noch nichts gefunden hatte. Ich spürte, daß er sich Sorgen um mich machte.
Schließlich dachte ich an den Arzt, der so vielen meiner Kameraden und auch mir das Leben gerettet hatte und wußte, daß ich so würde arbeiten wollen. Es war körperlich keine zu schwere Arbeit. Nur gab es da ein Problem. Der Arzt wäre der Ansicht, daß ich zu alt wäre, sein Handwerk noch zu lernen. Aber es gab ja noch andere Wege. Er bemühte sich ja immer sehr darum, daß niemand sich nutzlos vorkam und das konnte ich ausnutzen. Ja. Der Gedanke gefiel mir.
In dem Augenblick schaute mein Bruder bei der Hausarbeit zu mir
herüber und fragte:
"Warum lächelst du?"
"Ich denke über die Zukunft nach." antwortete ich.
"Aber wie kannst du darüber lächeln, wenn deine Zukunft
gerade völlig zerstört wurde, durch die Verletzungen?"
fragte er geradezu empört.
"Nicht meine Zukunft. Nur die Vorstellungen, die ich davon hatte,
wurden zerstört. Aber gerade jetzt sind mir ein paar Gedanken
gekommen, was ich mit meinem Leben tun könnte. Und die gefallen
mir." antwortete ich.
"Willst du es mir erzählen?" fragte er.
"Nein. Sonst würde es nicht funktionieren." antwortete ich
und lächelte weiterhin in mich hinein.
Als der Arzt das nächste mal zu mir hereinschaute, fragte ich ihn, ob er nicht irgendeine Arbeit für mich hätte, um mich von den Schmerzen abzulenken. Dem Arzt gefiel diese Frage, denn in seinen Augen war das ein Zeichen, daß ein Mensch langsam wieder auf die Beine kam. Und er fand eine kleine Arbeit, die ich im Bett erledigen konnte. Ich fragte ihm Löcher in den Bauch, wozu das alles gut sei.
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/ E-Mail an Kersti
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