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Drachenbaby

Irgendwann öffnete sich die Tür. Dania mit dem kleinen Drachenbaby auf dem Arm kam herein und gab mir zwei heftige Ohrfeigen - und dieser Schmerz war stark genug, daß ich zur Besinnung kam. Wie von der Tarantel gestochen sprang ich auf und wollte zurückschlagen - fing den Schlag aber im letzten Augenblick ab und stand ziemlich desorientiert vor Dania. Ich wußte, sie hatte mich nur geschlagen, weil das die einzige Möglichkeit gewesen war, mich aus meiner Apathie zu reißen. Es war unter Drachenreitern immer schon eine übliche Maßnahme gewesen, um zu verhindern, daß Drache und Reiter sich gegenseitig immer weiter in Angst oder Schmerz hineinsteigern. Etwas, das jeder Drachenreiter als wichtige Erste-Hilfe-Maßnahme beigebracht bekommt.

Dummerweise wußte ich diesmal ganz einfach nicht, wozu ich noch leben sollte, wenn mein Drache tot war.

"Khaerith, du mußt mir helfen. Dhaera versinkt immer mehr in Apathie und ich kann sie gar nicht mehr erreichen. Irgendwie muß es doch möglich sein, sie wieder zurückzurufen."
Damit war immerhin die Frage mit dem wozu leben beantwortet... Nicht daß ich im Augenblick allzugroße Lust gehabt hätte, zu leben - aber sie brauchte wirklich Hilfe und es wäre grausam, sie alleinezulassen.

Zuersteinmal ging ich jedoch an den Wasserhahn, um meinen Durst zu stillen.

Wahrscheinlich war auch auf den neugeborenen Drachen zu viel Schmerz von sterbenden Drachen übergeschlagen. Und Drachen lösten ein solches Problem normalerweise indem pausenlos ein anderer Drache bei dem so seelisch Verletzten Wache hielt, den eigenen Geist in eine friedliche Stimmung brachte und den Geist des Verletzten von allen anderen Einflüssen abschirmte. Wir waren zwar keine Drachen sondern Menschen - aber prinzipiell zu einer solchen Wache genauso fähig und als Drachenreiter telepathisch ausreichend geübt. Aber zwei waren zu wenige, um diese Wache pausenlos durchzuhalten. Ich erklärte ihr diese Überlegungen und fragte am Ende:
"Gibt es noch mehr Drachenreiter hier?"
"Ja. Aber sie sind alle zu nichts zu gebrauchen, weil ihre Drachen tot sind."
"Laß uns nach draußen gehen, damit dein Drache in der Sonne liegen kann. Er soll in Zukunft nicht mehr dabei sein, wenn du jemandem Ohrfeigen gibst. Er hat schon viel zu viel Schmerz miterlebt und die Ohrfeigen werden ihn daran erinnern. Ich schaue dann, wie ich die anderen zur Besinnung zu bringen kann."
Tatsächlich war der Tod eines Drachen keine ausreichende Erklärung für den Zustand der Drachenreiter. Drachen starben selten, sie wurden ja um ein vielfaches älter als Menschen, aber einmal war ein Drache gestorben, der einen Reiter hatte - bei einem Unfall und sein Reiter hatte zwar tief getrauert, aber er hatte von allen Seiten so viel Unterstützung erfahren, daß er sich bald wieder dem Leben zuwandte und von einem anderen Drachen adoptiert wurde, dessen Mensch an Altersschwäche gestorben war.

Die erste Wache überließ ich Dania, die jetzt nach ihrem Drachen Dhaeraith hieß.

Kersti


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