FC15.

Khaerit zur Operation!

"Khaerith zur Operation! Khaerith zur Operation!"
Ich schaute auf und fragte die Psychologin:
"Weißt du, was sie diesmal mit mir tun werden?"
"Nein. Aber du mußt gehen."
"Ich weiß. Was würde passieren, wenn ich nicht gehen würde?"
"Das Ding, das sie dir in die Schulter eingepflanzt haben, kann dich bewegungsunfähig machen. Wenn du nicht gehorchst, werden sie dich zuerst damit foltern und dich dann eben holen, wenn du dich nicht mehr rühren kannst."
Ich lächelte ironisch:
"So habe ich mir das vorgestellt."

Ich ging zu dem kleinen Operationsraum und meine Fantasie zeigte mir unterwegs eine ganze Reihe abartiger Dinge, die sie dort mit mir anstellen könnten. Es gelang mir nicht, diese quälenden Bilder vor meinem inneren Auge zu vertreiben.

Der Arzt, der mich kastriert hatte, wartete schon auf mich. Ohne Aufforderung legte ich mich auf die Behandlungsliege. Er schaltete den Strahler ein, der mich bewegungsunfähig machte. Ich spürte mehr als ich sah, wie sie die Instrumente bereitlegten und dann die Augenlider auseinanderzogen. Dann kamen sie mit einem löffelartigem Instrument und hebelten den Augapfel aus der Augenhöhle. Danach schnitten sie die Augenhöhle seitlich mit einem Knochenschneider von der Schläfe aus auf und schnitten den Augennerv an der Stelle ab, an der er ins Gehirn eintrat. Das Auge wurde fortgenommen und die Wunde mit Haut von den Wangen verschlossen. Danach verließen sie hastig den Raum. Ich blieb mit meinen Schmerzen allein und konnte mich mehrere Stunden nicht rühren, weil der Lähmstrahler immer noch an war.

Erst als die Psychologin kam, um mich abzuholen, stellte sie den Lähmstrahler aus. Ich setzte mich vorsichtig auf und griff behutsam nach der Stelle, wo einmal mein linkes Auge gewesen war. Es war nur noch ein ausgefranztes Loch übrig. Die Psychologin nahm mich in die Arme und ich lehnte mich schweigend an sie und versuchte irgendwie mit meinen Schmerzen fertigzuwerden.

Die meisten meiner Fantasiebilder waren schlimmer gewesen.

Als die Psychologin den Drachenreiter von der Operation abholte, war sie entsetzt über die Gedankenlosigkeit der Ärzte, die ihn einfach so hatten liegen lassen, als sie mit der Operation fertig waren. Ihm fehlte das linke Auge und als sie ihn von der Lähmung befreite griff er nach der leeren Augenhöhle. Es war eine häßliche Narbe, da sie die Augenhöhle seitlich aufgebrochen hatten, um besser an den Augennerv heranzukommen. Doch der Drachenreiter tastete sie nur mit ruhigen Bewegungen ab und lehnte sich dann schweigend an die Psychologin, die ihn tröstend umarmte. Sein Gesichtsausdruck blieb ruhig wie immer, ohne die Gefühle zu zeigen, die wohl jeder Mensch in seiner Situation gehabt hätte.

Richtig überrascht war sie jedoch, als er am selben Abend pünktlich in ihrem Zimmer auftauchte und sie daran erinnerte, daß sie ihm versprochen hatte, ihm seinen Computer zu leihen, damit er beginnen konnte, seine Lebensgeschichte aufzuschreiben.
"Aber ich dachte, nachdem sie dir das angetan haben, würdest du erst einmal im Bett liegen und nichts tun mögen..." antwortete die Psychologin überrascht.
"Warum? Die Operation hat mir nur gezeigt, daß es noch eiliger ist, als ich fürchtete. Gib mir den Computer und ich werde sehen, daß ich so weit komme, wie es mir heute möglich ist." erklärte er.

Die Psychologin gab ihm den Computer. Und er ging. Doch sie konnte es schon am nächsten Morgen nicht mehr glauben, daß er wirklich gekommen war, um zu arbeiten. Solche Operationen waren eine grauenhafte Erfahrung. Die Psychologin hatte einmal einen Mann betreut, der, nachdem er für entbehrlich erklärt worden war und ihm ein Ohr und die rechte Hand entfernt worden waren wieder rehabilitiert worden war. Er hatte beinahe jede Nacht einen Alptraum von diesen Operationen gehabt. Gegen Ende, als die Behandlung griff, wurde er ruhiger und seine Arbeitsleistungen zuverlässig. Aber er mußte wohl für den Rest seines Lebens darunter leiden - und unter einer krankhaften Angst, wieder für entbehrlich erklärt zu werden. Und dieser verrückte Drachenreiter, benahm sich, als sei da nichts gewesen.

Kersti


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Thema: Drachen

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Z51. Kersti: Erinnerungen an frühere Leben
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