FD8.

Der zweite Torey

"Mir hat niemand eine Niere herausgenommen, das wüßte ich. Von wem ist sie dann genommen worden?"
"Es gibt noch einen zweiten für ihn. Bei seiner Geburt war der echte Torey so schwer beschädigt durch die Sauferei seiner Mutter, daß er damals schon Arme, Beine, Und mehrere innere Organe bekommen hat. Deshalb entschlossen sie sich, eine zweite Reserve für ihn Klonen zu lassen." erklärte er.
Was Klonen ist, wußte ich. Das ist, wenn die Ärzte einer Frau ein Baby machen.
"Und wer ist das?" fragte ich.
"Er heißt auch Torey."
Torey - jetzt wußte ich, wer es war. Der zweite Torey hing den ganzen Tag an diversen komplizierten Maschinen, denn außer Armen und Beinen hatten sie ihm auch den Magen, beide Nieren, beide Augen, das Herz, Zunge und Kehlkopf herausgenommen. Da er immer noch brauchbare Organe hatte, wurde er noch am Leben erhalten.

"Es ist einfach nur falsch." sagte Torey, als Kores ihm erklärte, wofür seine Augen gebraucht wurden.
Der Arzt war überrascht. Die anderen Gespräche, die sie schon geführt hatten, hatten ihm gezeigt, daß Kores keines der Worte kannte, die man üblicherweise verwendet, um Moralvorstellungen, gut und böse zu beschreiben. Er schien auch nicht wütend oder verbittert zu sein, über das, was man ihm antat. Er nahm es einfach als selbstverständlichen Teil seines Lebens hin.
"Es ist einfach nur falsch. Er weiß ja nicht einmal, was er tut, wenn er seinen Körper so kaputtmacht. Wenn er etwas zerstört, dann muß er sich keine Gedanken machen - er hat ja einen Ersatzkörper... wenn man mal davon absieht, daß es eigentlich MEIN Körper ist. Also macht er ganz viel kaputt - und ich muß die Folgen tragen. Es ist einfach nur falsch. Es macht Menschen schlecht, weil sie lernen, nicht über andere Menschen nachzudenken."
Erklärte er seine Worte genauer. Dieser Mensch hatte nicht nur Moralvorstellungen... Er wußte auch, welche Auswirkungen auf die Gesellschaft es hatte, wenn man nicht danach handelte. Kores wunderte sich einmal mehr über diese starke, ausgeprägte Persönlichkeit, über diese Weisheit.

Zielstrebig ging ich zu dem Bett des anderen Torey, legte meine Hand unter seinen Nacken - er konnte noch nicken und mit dem Kopf schütteln und das war seine einzige Verständigungsmöglichkeit. Und so konnte ich seine Antworten verstehen, obwohl ich es nicht sehen konnte. Ihm erzählte ich stark vereinfacht was ich erfahren hatte und daß er genauso geworden wäre wie ich, wenn sie ihm nicht alles abgeschnitten hätten. Torey hörte zu und deutete mehrfach an, daß er eine Frage hätte. Es dauerte einige Zeit, bis ich herausgefunden hatte, was er wissen wollte und dann beantwortete ich seine Frage, indem ich mein Aussehen beschrieb.

Kersti


FD9. Kersti: Fortsetzung: Zweite Operation
FD7. Kersti: Voriges: Originale
FDI. Kersti: Inhaltsübersicht: Ersatzteil...
FD1. Kersti: Zum Anfang: Torey komm zum Ausgang
Thema: Atlantis

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EGI. Kersti: Kurzgeschichten
V231. Kersti: Frühere Leben von mir
Z51. Kersti: Erinnerungen an frühere Leben
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