FD9.

Zweite Operation

"Torey, du mußt jetzt in den Operationssaal." sagte der Arzt plötzlich mitten in einem Gespräch.
"Hast du das die ganze Zeit gewußt?" fragte ich zurück.
"Ja."
"Dann hättest du es mir sofort sagen sollen. Sonst habe ich irgendwann jedesmal wenn du mit mir redest die ganze Zeit Angst, daß du mich zur Operation abholen willst." erklärte ich und ließ mich dann widerstandslos abführen.

Schließlich fragte ich:
"Was werden sie mir denn diesmal abschneiden?"
"Ein Arm, ein Bein, die Hoden und einen erheblichen Teil deiner Haut." antwortete er.
Ich erstarrte bei dieser Vorstellung mitten in der Bewegung.
"Torey?"
"Ja, ja, ich gehe ja schon weiter." sagte ich.
"Torey." Seine Stimme klang sehr liebvoll.
Erst bei dieser zweiten Wiederholung wurde mir klar, daß er meinen Namen nicht gesagt hatte, um mich zu ermahnen. Er liebte mich, machte sich Sorgen um mich und konnte diese Vorstellung selbst kaum ertragen. Oft wenn er mich besucht hatte, hatte er mir von anderen Operationen erzählt. Ich hatte schweigend zugehört. Es war schrecklich für ihn, so machtlos zu sein - es nicht verhindern zu können und dann auch noch den anderen Ärzten bei diesen Operationen zur Hand gehen zu müssen, bei mir redete er sich das alles von der Seele. Ich tröstete ihn dann immer. Ich sagte ihm wer weiß wie oft, daß ich ihn trotz allem liebte. Und ich sagte jedesmal, daß ich mich an seiner Stelle weigern würde, den Anderen zur Hand zu gehen. "Lieber will ich hier leben und nach und nach wird mir alles abgeschnitten, als selber an so etwas schuld zu sein." sagte ich jedesmal. Ich meinte das ernst.

Diesmal aber blieb ich nach ein paar weiteren Schritten erneut stehen, weil mir ein weiterer Gedanke kam:
"Kores - denk daran - ich werde dich immer lieben, ganz gleich was geschieht."
Ich ging langsam weiter. Leider kannte ich keine Möglichkeit dieser Operation zu entkommen. Und wie die erste wurde sie bei vollem Bewußtsein vorgenommen.

Wie soll ich beschreiben, wie es ist, operiert zu werden? Zuerst einmal liegt man auf der Behandlungsliege und wenn man meint, seine Hand zu bewegen, geschieht einfach nichts.

Und dann kommen sie, nehmen ein Messer nehmen nähern sich dem Gesicht. Sie beginnen hinter den Ohren, dort wo die Muskeln ansetzen, die das Ohr bewegen und schneiden das Ohr samt Innenohr, Haut und Wangenmuskeln ab, auch ein Teil des Haars und die Muskulatur der rechten Halsseite. Teilweise.

Dann gehen sie an den Arm und beginnen zu schneiden. Nicht einfach so, sondern sorfältig beachten sie wo Falten in der Haut sind, wo bestimmte Muskeln ansetzen, halten sich von jeder größeren Ader fern, bis sie den Arm fast vollständig abgeschnitten haben - bis eben auf die Adern, die ihn immer noch mit dem Rest des Körpers verbinden. Und jeder dieser sorgfältig und konzentriert ausgeführten Schnitte tut weh und man kann nicht einmal zurückzucken oder weinen vor Schmerz. Es tut einfach nur weh und man kann nichts tun. Man hat das Gefühl, doch etwas tun zu müssen... aufspringen vielleicht, wegrennen, weinen, angreifen, um Gnade flehen, schimpfen, Zähne zusammenbeißen, ganz egal was, aber etwas tun, doch es geht nicht. Man kann nur zusehen und dann ist der Arm ab, die Adern abgeklemmt. Er wird durch ein Fenster in den Nachbarraum gereicht, in dem er dem Original angenäht wird. Von den Schultern her wird Haut über das rohe Fleisch gezogen und dort angeheilt.

Dann gehen sie an den Bereich der Brust und ziehen dort Haut und Muskeln von den Rippen herunter und reichen sie durch das Fenster hinaus. Und ich liege da und kann nicht einmal schreien vor Schmerzen. Die Haut von der anderen Seite meines Körpers wird ebenfalls abgelöst und dann so weit gedehnt daß sie die von Muskeln befreiten Rippen völlig bedeckt. Dann wird sie so angeheilt. Das sind noch mehr Schmerzen, die mir diesmal aber zugefügt werden, damit ich die Operation möglichst unbeschadet überlebe ... wenn man so etwas unbeschadet nennen kann.

Aus dem Bauchraum nehmen sie den absteigenden Dickdarm, die Milz, die linke Niere, sowie Bauchfell, Haut und Muskeln, die diese Organe bedecken. Danach wird der Rest des Darmes nach außen gelegt, so daß ein künstlicher Darmausgang entsteht. Bauchfell, Muskeln und Haut werden Schicht für Schicht zusammengenäht, aber es ist viel zu eng dort unten. Alles tut weh.

Danach arbeiten sie am Bein weiter. Lösen Haut und Muskeln Schicht für Schicht, von meinem Körper, schneiden die Gelenkkapsel auf, klemmen ganz zum Schluß die Schlagadern ab und schneiden sie durch. Mein Bein wird durch das Fenster hinausgereicht. Und ich sehe ihm hilflos mit einem Gefühl des schrecklichen Verlusts nach.

Schließlich gehen sie an meinen Hoden und Penis - und ich habe in diesem Augenblick das Gefühl absolut nichts mehr verkraften zu können. Ich will einfach nur sterben - oder wenigstens die Besinnung verlieren - aber nicht einmal das kann ich. Also muß ich auch diese Schmerzen bei vollem Bewußtsein miterleben. Sie schneiden ein Loch, wo Hoden und Penis angewachsen sind und holen auch die Prostata mit heraus. Dann wird der kurze Rest der Harnröhre langgezogen und mit der über die Wunde gezogenen Haut zusammengeheilt.

Kersti


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