Eines Tages kam Kores wieder zu mir und sagte:
"Torey, du mußt zur Operation."
"Was machen sie diesmal?"
Kores schwieg bedrückt. Ich frage noch zwei mal nach, dann sagte
ich:
"Diesmal komme ich nicht zurück, weil sie mir so viel
abschneiden, daß nichts übrigbleibt, oder?"
"Warum glaubst du das?"
"Das ist nur logisch. Jedemal, wenn sie einen holen, dann schneiden
sie ein Stück ab und bringen den Rest zurück. Und wenn sie ihn
nicht mehr zurückbringen, dann ist nichts mehr übrig."
sagte ich.
"Wenn sie ihn nicht mehr zurückbringen, ist er bei der Operation
gestorben." korrigierte Kores.
"Was heißt gestorben?" fragte ich.
"Ja - tot."
"Was ist tot?"
"Na tot eben - sag mal weißt du nicht, was tot ist?" fragte
er fassungslos.
"Nein. Kann man wirklich irgendwann weggehen und keine Schmerzen mehr
haben und das Kaputtgeschnittene bleibt dann einfach liegen?" fragte
ich.
Kores antwortete nicht. Diese Frage fand er zu verblüffend. Er schob
mein Bett nur schweigend zum Operationssaal. Schließlich sagte er
dort angekommen.
"Ja. Nein. Ich weiß nicht. Du wirst es bald wissen..."
Auf meine weiteren Fragen hin erklärte er mir genau, was für
eine Operation geplant ist. Der Original-Torey bekommt meine
Wirbelsäule, die Lunge und den Brustkorb, denn sein Oberkörper
ist durch einen Unfall völlig zerschmettert, sein Herz, das
eigentlich meines ist, ist noch zu retten. Dazu bekommt er Muskeln -
teils von mir teils von dem älteren Reserve-Torey und der
ältere Reserve-Torey bekommt dann von mir alles, was noch übrig
ist. Das heißt er hat dann zum ersten mal seit seiner Geburt
wieder einen Arm - und vielleicht kann er sprechen lernen mit den Teilen,
die er von meinem Kopf bekommt.
"Diesmal war es kein Leichtsinn. Er hat drei einfachen Arbeitern das
Leben gerettet und es wären sicher noch viele verletzt worden, wenn
er nicht das getan hätte, wobei er so verletzt wurde."
erklärte mir Kores.
Darüber freute ich mich, denn der Original-Torey, den ich
kennengelernt hatte, dem wäre es völlig egal gewesen, was aus
einfachen Arbeitern wird. Früher hat er mal welche zu seinem
Vergnügen erschossen. Und der kleine Torey ist gesund und wird
zu seinem Nachfolger erzogen.
Die Operation war wieder mal eine grausame Quälerei. Jeder einzelne
Teil meines Körpers wurde abgeschnitten und fortgetan, während
ich da lag und nicht sterben konnte, denn das Fallenfeld, das mich im
Körper festhielt, war noch aktiv. Mir tat jeder fehlende
Körperteil weh, als wäre er in kochendes Wasser getaucht
worden, nur viel schlimmer.
Und irgendwann lag nichts mehr auf der Liege nur der Schmerz war immer
noch da - bis sie endlich den Strahler ausstellten - und dann war der
Schmerz plötzlich weg - und ich konnte wirklich gehen und hatte
keine Schmerzen mehr.
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/E-Mail an Kersti
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