Reinkarnationserinnerung - Katzenärzte

FG13.

Nach Draußen

Ich rechnete jeden Tag damit, daß die nächste Reinigung der Kanäle angesetzt würde - und diesmal würde er nicht überleben, weil ich nachher nicht mehr fähig wäre ihn zu heilen. Ich verlängerte mit jedem Trick, der mir einfiel die Pause zwischen den Heilungen - und die Klinikleitung duldete, daß wir nur noch drei Patienten pro Tag schafften statt der vier vorgeschriebenen.

Da bekam mein Mensch eine E-Mail. Er las sie und begann zu weinen. Er dachte an seinen kleinen Bruder, den, den er immer am meisten geliebt hatte und war verzweifelt, denn irgendetwas schreckliches war geschehen. Ich habe nicht begriffen was eigentlich, außer daß er irgendwohin verkauft worden war. Aber verkaufen an sich war ja nicht schlimm. Bei seiner Schwester hatte er sich gefreut, daß sie in eine gute Lehre gekommen war. Es mußte der Ort sein, wo der Bruder hinkam, der so schrecklich war. Leider konnte ich ihn nicht fragen warum und er hatte auch keine klaren Bilder im Kopf.

Mein Mensch redete mit der Klinikleitung. Er wollte an seinem freien Tag zu seinem kleinen Bruder. Er mußte lange mit ihnen reden, denn so etwas war noch nie erlaubt worden. Doch am Ende durften wir.

Am nächsten Tag legte mein Mensch mir eine Leine um den Hals. Er erklärte mir, daß er das müsse. So ganz habe ich nicht verstanden warum. Es ärgerte ihn, daß er es mußte und er hat es eigentlich auch nicht verstanden. Es hatte irgendetwas damit zu tun daß Menschen verrückt sind. Aber da er meinte, daß es nötig ist, habe ich es zugelassen. Dann bin ich auf seine Schulter gestiegen und er ging durch viele Türen fort von all den Katzen und Menschen, die wir kannten. Ich war deshalb traurig - aber er hatte ja gesagt, daß wir zusammenbleiben würden. Und das war das wichtigste. Außerdem konnte es ja wohl kaum einen schlimmeren Ort geben als die Klinik.

An den Weg kann ich mich kaum erinnern. Zuerst schaute ich mich neugierig um. Aber ich gab es bald auf. Alles war voll fremder aufregender Gerüche, die ich nicht zuordnen konnte. Farben und Lichter, die ich noch nie gesehen hatte. Unglaublich viele Menschen, die wild durcheinanderwuselten. Und da war vielleicht ein Krach - so ein Krach, daß man eigentlich gar nichts mehr hört, weil alles durcheinander ist. Ich bekam davon Kopfschmerzen. Schließlich gab ich es auf, vergrub meinen Kopf in seinen Haaren, die nach ihm rochen, wie es sich gehörte und versuchte nicht mehr zu sehen, nichts zu hören. Ich hatte gehofft, daß draußen der Wald ist, von dem meine Mutter erzählt hat. Ich wollte ihn wenigstens einmal in Wirklichkeit sehen.

Der Ort an dem sein Bruder war, war fast wie die Klinik. Mein Mensch wollte mich losmachen. Aber da war ein Fremder der sich vorstellte, ich würde ihn beißen bis er von oben bis untem mit Blut überströmt wäre und sterben müßte - geht ja nicht, sie haben mir ja die Zähne herausoperiert. Er drohte, wenn mein Mensch mich losmachen würde, würde er lauter verrückte Sachen machen und danach wäre ich tot. Also ließ mein Mensch die Leine an meinem Hals. Immerhin hatte ich begriffen, wozu sie gut war: Sie ist dazu da, daß fremde Menschen nicht wahnsinnig werden, nur weil sie lauter verrückte Ideen haben. Ich sagte ja schon mal, daß Menschen komisch sind. Sehr komisch sogar.

Dann erst durften wir zu seinem Bruder. Zuerst war ich überrascht, daß er gar nicht mehr so klein und niedlich war, wie in den Gedanken meines Menschen. Dann wurde mir klar, daß ja nicht nur Katzen sondern auch Menschen erwachsen werden, nur dauert es bei ihnen viel länger. Mein Mensch war ja auch gewachsen, seit ich ihn kennenlernte. Sie redeten miteinander und wurden dabei immer trauriger. Der Bruder zeigte meinem Mensch eine Stelle am Arm wo ein Schlauch hineinführte. Er redete von Schmerzen die sie ihm zugefügt hatten und Schmerzen, die noch kommen würden. Sie redeten davon, daß seinem Bruder der Bauch aufgeschnitten würde und dann würde da alles rausgeholt und er wäre nachher tot. Das hatte auch so eine Klinikleitung bestimmt. Ich fragte mich warum Menschen so etwas tun. Das ist schon nicht mehr komisch, das ist schrecklich. Ich schnurrte für den Bruder meines Menschen.

Als wir wieder zu unserer Klinik gehen mußten, waren wir alle niedergeschlagen. Ich hatte keine Lust mehr, mich noch einmal umzuschauen, vergrub von Anfang an mein Gesicht in den Haaren von meinem Menschen. Leider konnte ich den telepathischen Chaos der Stadt nicht so einfach ausweichen. Er schritt zügig aus.

Kersti


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