FH1.

Böse Erinnerungen

Es war Herbst - Zeit der Einberufungen für den Tempel. Und ich hatte mein ganzes Leben lang gewußt, ich wollte Priester werden. Meiner Ansicht nach gab es nichts, was dagegen sprach:
Ich war körperlich gesund, meine geistigen Fähigkeiten waren weitaus besser als die meiner Freunde und ich konnte mich jetzt schon an mehr meiner früheren Leben erinnern als sie.

Im Tempel bewältigte ich die übliche Ausbildung, die jedes Kind der Erde erhielt in der Hälfte der üblichen Zeit. Danach kam ich zu den Akholuten, die zum Priester ausgebildet wurden - und ich überholte nahezu alle, die vor mir begonnen hatten.

Während meiner Ausbildung erinnerte ich mich an immer frühere Leben. Lange, lange, hatte ich mich bemüht, für das Gute zu arbeiten. Ich war einer von denen, die den Aufbau des Sternenreiches Sphinx erst ermöglicht hatten, in dem wir lebten. Durch unermüdliche Friedensarbeit. Ich verfolgte meine Erinnerungen weiter zurück. Davor waren andere Leben, in denen ich auch nach dem Guten strebte, aber noch nicht in die Arbeit der Hüter des Lichts eingebunden. Dann kam ich zum Anfang des Zeit - und ich merkte, daß ich davor vom Ende der Zeit zum Anfang der Zeit gereist war und andere Leben in diesem Universum gelebt hatte. Auch das waren Leben in denen ich Gutes tat - oder es zumindest versuchte, so gut ich es vermochte. Es erschien mir aber erschreckend, wie schwer es mir damals erschien, richtig und falsch auseinanderzuhalten.

Zu der Zeit wurde mir gesagt, daß ich sicherlich in wenigen Tagen in den Tempel berufen würde. Ich war 8 damals.

Ich ging noch weiter zurück - und kam in ein Leben in dem ich Menschen nur zu meinem Vergnügen gefoltert hatte. Ich war absolut erschüttert, so etwas über mich erfahren zu haben. Für mich in meiner damaligen Persönlichkeit war so etwas absolut unvorstellbar. Ich verstand einfach nicht, wie ich jemals so etwas hätte tun können.

Der Priester, der mich durch diese Erinnerungen begleitet hatte, sagte mir, ich müsse diese Erinnerungen zuerst aufarbeiten, bevor an einen Eintritt in den Tempel zu denken sei.
Ich gehorchte.

Ich stellte fest, daß es nicht das einzige derartige Leben war. Davor gab es andere, in denen ich es noch schlimmer getrieben hatte. Viele Leben. Schreckliche Leben, in denen ich zutiefst unglücklich war. Tag für Tag entdeckte ich neue Verbrechen, die ich in früheren Leben begangen hatte. Und mit jedem Tag war ich tiefer verschreckt und entsetzt über das, was ich in mir selbst entdeckte. Die Priester aber die mich ausbilden sollten waren noch entsetzter als ich darüber.

Ich hatte in den vorhergehenden Jahren gelernt, daß man solche Dinge aufarbeiten muß, um zum Tempeldienst bereit zu werden. Also arbeitete ich auf. Mit dem einzigen Effekt, daß ich noch mehr solche Leben entdeckte. Immer mehr.

Schließlich entdeckte ich, daß ich für das Universum lange als der Inbegriff des Bösen gegolten hatte.
FFI15. Kersti: Inhalt: Krieger des Bösen

Als er etwa 12 war und ich vierzehn, wurde mein jüngerer Bruder in den Tempel von Mu berufen, um für die Einweihung ausgebildet zu werden. Ich freute mich für ihn. Am selben Tag wurde ich dann in das Zimmer gerufen, wo Schülern eine solche Berufung üblicherweise mitgeteilt wird.

"Jarthi, du weiß was in den letzten Jahren bei dir für Erinnerungen ans Licht gekommen sind."
Ich nickte. Selbstverständlich wußte ich das.
"Und Du kannst sicher verstehen, daß jemand der so viel Böses getan hat, es niemals aufarbeiten und zum Tempel bereit werden kann."
"Nein!" widersprach ich und fühlte mich in der Seele getroffen.
"Wer zu solchen Taten bereit ist, ist nicht geeignet, auch nur über einen Menschen Befehl zu führen."
"Aber ich bin doch gar nicht zu solchen Taten bereit! Das ist doch länger her als das Universum alt ist." protestierte ich.
"Es ist noch nicht aufgearbeitet, und deshalb gibt es keine Sicherheit. Also wirst du am Hanai-Berg den Einzel-Außenposten versorgen. Der Rat ist sich einig."
Ich starrte ihn fassungslos an, brachte kein Wort heraus. Das hieß jeder einzelne Mann im Rat war der Meinung, daß ich zu mehr nicht zu gebrauchen war, daß ich böse war. Und das waren über tausend. Ich brachte vor Fassungslosigkeit kein Wort heraus, drehte mich nur um und floh in mein Zimmer, wo ich in Tränen ausbrach. Und die Tage, bis ich abreisen mußte, habe ich nur geweint und geschlafen. Ich habe nichts gegessen und auch nichts getrunken.

Kersti


FH2. Kersti: Folgendes: Unerfüllbare Pflicht
VA91. Kersti: Kersti, aus welchem Hut zauberst du die ganzen Sadisten hervor?
FHI. Kersti: Inhalt: Der Grund für den Untergang von Mu
V4. Kersti: Merkwürdige Erfahrungen
EGI. Kersti: Kurzgeschichten
V231. Kersti: Frühere Leben von mir
Z51. Kersti: Erinnerungen an frühere Leben
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben
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