Reinkarnationserinnerung - Mein Leben zu Jesu Zeit

K10.

Johannes ist übellaunig

Am nächsten Morgen ging ich zu Arid und sagte ihm, daß er wegen der Engel nichts unternehmen sollte. Er nahm mich wortlos in den Arm. Er wußte, wie traurig ich war.

Etwas später fragte ich, was ich hier denn eigentlich lernen sollte.
"Das kommt darauf an, was du lernen willst. Doch du kannst nicht Krieger und Heiler gleichzeitig werden. Die Kurse liegen parallel." erklärte Arid.
Ich fragte Arid über die verschiedenen Möglichkeiten aus und entschied mich dann für Kräuterkunde morgens und Chirurgie nachmittags.

"Du, wo wohnt denn der Johannes?" fragte ich.
"Hier auf Karmel."
"Meinst du, ich darf ihn mal besuchen?"
"Der Johannes ist ein kranker Mann. Er ist manchmal übellaunig."
"Aber in Wirklichkeit ist er ganz lieb." ergänzte ich.
"Er kann nicht sprechen."
"Mit mir hat er aber einmal gesprochen. In meinem Kopf. Er hat mich gefragt, ob ich bei ihm bleiben möchte. Aber ich habe gesagt, daß ich lieber bei meinen Eltern bleiben will. Ich war doch nur zwei."
"Das war auch sehr vernünftig von dir. Es ist schwer für den Johannes, daß niemand seine Sprache versteht und daß er zusätzlich bei allem auf Hilfe angewiesen ist. Aber ein so ein kleines Kind, wie du es damals warst, soll besser bei seinen Eltern bleiben, bis es mindestens zehn Jahre alt ist." antwortete Jesus Arid.
"Er hat doch nur gefragt. Aber jetzt, wo ich sowieso da wohne, wo er auch wohnt, da kann ich ihn auch besuchen, oder? Meinst du, er mag mich noch?"

"Komm mit." befahl mir Arid, er war wütend und führte mich durch einige Gänge in einen Raum, der ein wenig größer war als mein Zimmer, weil dort das Bett auf dem Boden stand.
Der Johannes saß auf einem Stuhl und sah uns beiden aufmerksam an. Ich lächelte ihm grüßend zu, erinnerte mich, wie es sich angefühlt hatte, im Geiste mit ihm zu reden und versuchte ihn wieder so zu erreichen:
*Hallo*
*Hallo, Junge. Wo hast du denn das gelernt?*
*Aber du hast es mir doch beigebracht, als du bei Jesus Tios zu Besuch warst. Und du hast gesagt, daß ich dich immer besuchen darf. Und jetzt wo ich ja auch hier wohnen muß, wollte ich fragen, ob ich dich jeden Tag besuchen darf und mit dir reden darf.*
*Ich freue mich jedesmal, wenn du kommst, Junge. Wie heißt du überhaupt?*
*Simon*
*Ach, jetzt weiß ich, wer du bist. Damals warst du aber wirklich noch sehr klein. Ich hätte nicht gedacht, daß du dich jetzt noch an mich erinnern kannst.*
*Aber du bist doch der liebe Johannes!* sagte ich.
Er lachte und dieses Lachen war voller Freude, doch dahinter lagen Tränen.
*Weißt du nicht, wie die Leute über mich reden?*
*Arid hat gesagt, du bist manchmal übellaunig* sagte ich.
Der Johannes sah Arid überrascht und verletzt an. Arid erwiderte offen seinen Blick und lächelt ihm dann zu.
*Arid hat recht. Manchmal verliere ich die Geduld mit den Jungen, die sich um mich kümmern sollen. Nicht nur, daß sie die Gedankensprache nicht können - sie machen auch ihre Augen nicht auf und bemerken es nicht, wenn ich versuche, ihnen mit den Händen Zeichen zu geben. Ich kann ja nicht schreiben. Ich kann den Stift nicht halten.* erklärte der Johannes mir schließlich.
Ich wunderte mich darüber, denn so, wie ich den Johannes kennengelernt hatte, konnte ich mir gar nicht vorstellen, daß er jemals die Geduld verlieren könnte.
*Verlierst du wirklich manchmal die Geduld?* fragte ich erstaunt.
*Ja.*
*Oft.* mischte sich Arid ein.
*Ja. Oft.* bestätigte der Johannes bereitwillig.
Ich spürte eine Bitterkeit hinter diesen Worten, die ich nicht verstand.

*Arid, warum warst du so wütend, als ich gesagt habe, daß der Johannes mich gefragt hat, ob ich bei ihm bleiben will?* fragte ich.
*Er hätte das nicht fragen dürfen.* antwortete Arid.
*Warum nicht?* fragte ich.
*Du warst noch zu jung. Du brauchtest deine Eltern noch, um dich gesund entwickeln zu können. Ich hätte diese Frage niemals stellen dürfen.* antwortete der Johannes an Arids Stelle ernst.
*Warum hast du dann gefragt?* fragte Arid und er war immer noch wütend darüber.
*Weil mich so nach einem Menschen gesehnt hatte, mit dem ich reden kann. Arid und mein Sohn waren ja beide nicht da.* antwortete der Johannes und das war keine Entschuldigung.
Ich spürte, daß beide Erwachsenen das für einen Fehler hielten, den ein Mann in Johannes Stellung sich nicht erlauben durfte.
*Bist du ein kleines Kind, das man nicht alleine lassen kann?* fragte Arid den Johannes verärgert.
*Im gewissen Sinne schon. Ich kann nicht für mich selber sorgen.* antwortete der Johannes ernst.
Und ich spürte dahinter sehr sehr viele heruntergeschluckte Tränen.
*Mein Gott, wir haben Arbeit, die getan werden muß. Wir können uns nicht pausenlos damit beschäftigen, dir Gesellschaft zu leisten.* meinte Arid verärgert.
*Ich weiß. Ich habe euch ja selbst weggeschickt. Aber das heißt nicht, daß es mir leicht fällt, so zu leben. Es geht immer wieder an die Grenzen meiner Kräfte. Und manchmal - eigentlich regelmäßig zwei mal am Tag - kann ich nur noch heulen. Ich verliere einfach manchmal den Überblick und dann erscheinen mir meine Probleme so unerträglich, daß ich nichts anderes mehr sehe. Ich muß damit leben, daß ihr nicht immer für mich dasein könnt und dürft und ihr müßt damit leben, daß ich nicht unfehlbar bin.* erklärte der Johannes *Komm, laß uns rausgehen, den Sonnenuntergang beobachten. Wenn dann nachher die Jungen kommen, die mir beim Schlafengehen helfen sollen, schaust du einfach zu. Ich glaube, du wirst mich dann verstehen.*

Wir gingen also hinaus und beobachteten schweigend das Farbenspiel der untergehenden Sonne auf den Berggipfeln. Ich genoß die Nähe des Johannes. Schließlich, als es ganz dunkel war, kamen drei Jungen.

"Warum hast du dich schon wieder hier versteckt? Weißt du, wie lange wir dich gesucht haben?" schimpfte einer der Jungen.
Johannes stand schweigend auf und ging zu ihnen hin. Er konnte ja auch gar nicht reden. Mir tat es in der Seele weh, wie sie mit ihm redeten. Gönnten sie ihm diese Augenblicke in der friedlichen Stille hier draußen nicht? Wütend wollte ich eingreifen.
*Sei still und beobachte.* befahl mir der Johannes streng.
Ich folgte ihnen unauffällig in Johannes kleines Zimmer. Merkwürdigerweise merkten sie wirklich nicht, wie ich leise das Zimmer betrat und mich still in eine Ecke setzte.

Ich war entsetzt wie grob sie einen Menschen anfaßten, von dem ich wußte, daß ihm jede Berührung wehtat. Und ich staunte über die Geduld, mit der Johannes das über sich ergehen ließ. Obwohl ich nur Zuschauer war, hatte ich weit weniger Geduld. Als sie den Kamm holten und damit grob an Johannes Haaren rissen, sprang ich schließlich trotz Johannes Ermahnungen auf und sagte ihnen, daß sie sofort damit aufhören sollten. In Zukunft würde ich den Johannes zu Bett bringen. Sie erschraken ziemlich, denn sie hatten meine Anwesenheit gar nicht bemerkt. Und sie fühlten sich ertappt, weil sie wußten, daß die Erwachsenen sie ausgeschimpft hätten, wenn sie das gesehen hätten.
"Wenn du uns verrätst, verprügeln wir dich!" drohten sie mir.
"Ich will euch nicht verraten. Ich will nur, daß ihr das nie wieder tut und deshalb mache ich das ab jetzt. Und ihr verschwindet. Ich will euch nicht hier sehen!" forderte ich.
Sie lachten mich aus und gingen. Ich weinte vor Mitleid und begann behutsam Johannes Haar zu kämmen. Er schien auf seltsame Art befriedigt, als hätte mein Verhalten ihm einen Verdacht bestätigt. Er berührte mich sanft mit seiner verkrüppelten Hand.
*Sie sind nicht wirklich boshaft. Sie wissen nur nicht, wie sehr sie mir mit ihrem Verhalten wehtun. Im Grunde sind diese Kinder einfach überfordert. Sie sind noch zu jung dazu. Sie müßten mindestens vierzehn sein, um diese Aufgabe erfüllen zu können.*
*Aber ich bin doch noch jünger und ich bin gar nicht überfordert!* widersprach ich.
*Jünger ist nur dein Körper. In Wahrheit bist du älter als sie. Viel älter. Du hast mehr Leben gelebt als sie alle zusammen.*

Ich starrte ihn erstaunt an. Ich hatte schon immer das Gefühl gehabt, anders zu sein als andere Menschen. Ich empfand mich als irgendwie älter oder erfahrener, als jeden, den ich kannte außer Josef, der später einmal Jesus sein würde. Deshalb durfte ich an anderen Menschen nicht dieselben harten Anforderungen stellen, wie an mich. Mit Johannes war das anders. Er erschien mir ähnlich wie ich.

Ich konnte mir dieses Gefühl jedoch nicht erklären und habe auch nie darüber geredet, weil die Erwachsenen mich immer für jedes Zeichen von Selbstbewußtsein ausgeschimpft hatten. Das heißt, jedesmal, wenn ich anderer Meinung war als sie und auch darauf bestand, das zu sagen, wurden sie wütend. Aber ich wußte doch ganz genau, daß ich recht hatte.

Kersti:


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