Reinkarnationserinnerung - 13 Hexen

M12.

Die Bibel

Ich dachte über die alte Hexe nach, die mich aufgezogen hatte und mir wurde bewußt, daß ich sie im Alter nicht alleinlassen wollte. Auch wenn sie moralische Vorstellungen hatte, die ich nicht teilen konnte, war sie doch ein herzensguter Mensch, der mir in meiner Kindheit die Liebe geschenkt hatte, die mir meine Mutter nicht hatte schenken wollen. Ich dachte über mein Heimatdorf nach und wußte, daß es eine Heilerin brauchen würde, wenn meine Lehrerin zu alt dazu wäre. Auch wenn so viele von ihnen mich immer wieder mit Steinen beworfen und verspottet hatten, wollte ich doch nicht tatenlos zusehen, wie dort Kinder an Krankheiten starben, die ich hätte heilen können, nur weil die Eltern den Arzt nicht bezahlen konnten.

Nach einem Jahr wurde ich zur Klosterpforte gerufen. Eine Bäuerin wolle mich sprechen, sie hätte eine Botschaft für mich. Ich ging hin und sah die Hohepriesterin. Nun, sie war ja tatsächlich eine Bäurin. Aber mich brachte es ziemlich aus dem Gleichgewicht, sie hier am Kloster zu sehen. Ich hätte sie am liebsten angebrüllt, mich in Ruhe zu lassen.
"Ich weiß, ich habe dir sehr wehgetan. Ich kann dich nicht zwingen, mich anzuhören. Schick mich fort und ich gehe." sagte sie leise.
Ich zögerte, sah sie prüfend an. Diese Demut war echt, doch dahiner lag große Dringlichkeit. Ich winkte ihr, mir in meine Klosterzelle zu folgen.
"Was ist." fragte ich kurz angebunden.
"Deine Lehrerin ist krank. Sie würde dich nicht darum bitten. Aber ich weiß, sie vermißt dich sehr und wäre glücklich, wenn du sie ihre letzten Tage pflegen würdest."
"Wieso sagst du letzte Tage?" fragte ich.
"Ihre Seele bereitet sich darauf vor, zu gehen. Ich spüre es." antwortete die Hohepriesterin.
Ich nickte, schwieg lange.
"Ich werde mich um sie kümmern." antwortete ich schließlich.

Ich hatte wenig im Kloster und so brauchte ich nur ein paar Minuten, um dort meine Angelegenheiten zu ordnen und mich von meinen Freundinnen unter den Nonnen zu verabschieden. Das Kind nahm ich mit.

Zuletzt rief mich die Äbtissin in ihr Zimmer.
"Ich wußte, daß du gehen wirst. Du bist nicht für das Kloster geschaffen, auch wenn von allen Menschen, die ich kenne, du diejenige bist, deren Herz am stärksten für den Christus schlägt. Dein weiteres Leben wird einsam und schwer sein. Deshalb möchte ich Dir etwas geben, das dich auf deinem weiteren Weg geleiten kann." sagte sie ruhig und reichte mir ihre Bibel.
Es war eine der neuen gedruckten Bibeln. Sie hatte nur einen Bruchteil so viel gekostet, wie die alten, handgeschriebenen Bibeln, aber immer noch war ein dermaßen dickes Buch unbezahlbar für einfache Bauern. Und es gab nichts, was mein damaliges Leben so geprägt hatte wie eben die Bibel.
Ich drückte sie an mein Herz und weinte. Ich wußte nicht, wie ich mich dafür bedanken, was ich sagen sollte.

Plötzlich erschien ein spitzbübisches Lächeln in den Augen der Äbtissin und sie sagte drei Worte in einer alten, längst vergessenen Sprache. Ich hob den Blick, starrte sie fassungslos an - und erwiderte den zweiten Teil der Losung der Hochgeweihten.
"Jesus war einer der Unseren. Er bereitete eine Neue Zeit vor. Nun ist es an uns, sie zu vollenden." sagte sie.

Ich fragte sie, welches Erlebnis sie dazu bewogen hatte, ihren Hexenclan zu verlassen, was ihr die Einweihung eingebracht hatte.
"Viel Leid. Sehr viel Leid." sagte sie nur.
"Das ist wohl immer so." sagte ich.
"Das war immer so. Doch in der Neuen Zeit wird es anders sein." erklärte sie.

Kersti


M13. Kersti: Fortsetzung: Heimkehr
M11. Kersti: Voriges: Kloster
MI. Kersti: Inhalt: 13 Hexen
M1. Kersti: Zum Anfang: Krankheit
V4. Kersti: Merkwürdige Erfahrungen
EGI. Kersti: Kurzgeschichten
V231. Kersti: Frühere Leben von mir
Z51. Kersti: Erinnerungen an frühere Leben
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben
Sonstiges
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Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/ ; Kersti_@gmx.de