O5: Kersti: Inseltheorie: Zuwanderung, Aussterben und Evolution auf Inseln, OI5.

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ausgegliedert aus O5.25: 2/2009
letzte Überarbeitung: 2/2009

O5.25

1.1.1.1.1 Chendytes lawi

Chendytes lawi war eine flugunfähige Ente, die zu den Meerenten und Sägern (Mergini) zählte. 255.2, 305.

Name
Das Epitheton "lawi" ist von dem Nachnamen von J. Eugene Law abgeleitet, der die Ornithologie im Westen der Vereinigten Staaten wirtschaftlich und fachlich gefördert hat. 310.

Körperbau
Der Knochenbau von Chendytes lawi zeigt, daß sie zu den Meerenten und Sägern (Mergini) zählt und wahrscheinlich am engsten mit den Eiderenten verwandt ist. Sie zeigt aber auch deutliche Ähnlichkeiten zur Gattung Melanitta, besonders zur Brillenente (Melanitta perspicillata). 255.2, 305., 310., 312., 315.

Zuerst wurden nur Beinknochen entdeckt, die zeigten, daß der Vogel ans tauchen angepaßt war. Flügelknochen wurden anfangs nicht entdeckt oder falsch zugeordnet, da sie sehr klein waren. 312., 313.

Im Vergleich zum Oberarmknochen hat der Oberschenkelknochen bei Chendytes lawi 100% der Länge, ist also genauso lang, beim Flugunfähigen Kormoran sind es 64% bei flugfähigen Kormoranen 37%, bei Enten der Gattung Melanitta sind es 50%, der Oberarmknochen ist also doppelt so lang wie der Oberschenkelknochen. 315.

Im Vergleich zu der Samtente (Melanitta fusca) sind die luftgefüllten Hohlräume in Mittelfußknochen und Oberschenkel von Chendytes lawi deutlich reduziert, während die äußere kompakte Knochenschicht (Substantia compacta) dicker ist als bei der Samtente. Damit entspricht der Querschnitt der Knochen eher dem der Säugetiere als dem anderer Vögel. Diese hohe Knochendichte ist eventuell eine Anpassung ans Tauchen. 255.2

Bei Chendytes lawi sind die meisten Knochen von Kopf und Hinterbein größer als bei der größten lebenden Meerente, der Eiderente (Somateria mollissima). Männchen wogen 2,8-4,0 kg, Weibchen 2,36-3,43 kg. Der Flugapparat war stark zurückgebildet. 305.

Der Brustbeinkamm (Carina sterni) ist sehr niedrig. 239.

Das Rabenbein (Coracoid) von Chendytes lawi ist im Vergleich zu seinen Verwandten etwa mittelgroß und ihnen auch ähnlich geformt, aber auf dieselbe ungewöhnliche Weise verdreht wie beim flugunfähigen Kormoran. 313.

Oberarmknochen sind im Vergleich zu den Beinknochen kleiner und gleichzeitig von der Form her stärker zurückgebildet als beim Flugunfähigen Kormoran (Nannorpterium harrisi). Damit zählt die Rückbildung der Flügel von Chendytes lawi zu den stärksten bekannten bei den Entenvögeln. 305., 313.

Wenn man die Flügelfläche durch das durch Vergleich mit lebenden Arten ermittelte Körpergewicht von Chendytes lawi teilt, ergibt sich eine Flächenbelastung von 13,4g/cm2. Das ist höher als bei allen heute noch lebenden flugunfähigen Entenarten und übertrifft 2,5g/cm2, die höchste Flächenbelastung, die theoretisch noch Flugfähigkeit ermöglicht, erheblich. 305.

Lebensweise
Verbreitungsgeschichte
Die frühesten Funde der Art satmmen aus dem späten Pleistozän 50 000-80 000 vor Christus. 305.

Chendytes lawi war von den Kanalinseln (engl. Channel Islands), auch Santa-Barbara-Inseln vor der Küste des südlichen Kaliforniens, bis Port Orford im Norden des Bundesstaates Oregon in den USA verbreitet, Orte die 720 Kilometer voneinander entfernt sind. 255.2

Knochen der flugunfähigen Ente von mindestens 14 verschiedenen Fundstätten entlang der Kalifornischen Küste zeigen daß die Einheimischen die Art mindestens 8000 Jahre lang jagten, bis sie dadurch ausgerottet wurde. Begonnen wurde die Jagd auf die Ente etwa 11 150-10 280 vor Christus als die ersten Menschen ihren Lebensraum besiedelten. In diesen funden machten ihre Überreste 19% der identifizierten Vogel- und Säugetierüberreste aus. Die jüngsten Knochen wurden 2720-2350 vor Christus datiert. Fundstätten aus späteren Jahren enthalten keine Knochen der Ente mehr. 241., 255.2

Lange nahm man an, daß die Ente so lange überlebte, weil seetüchtige Boote erst vor wenigen tausend Jahren erfunden worden seien und erst dadurch die Mittel vorhanden waren, die Enten so intensiv zu nutzen, daß sie aussterben. Archeologische Funde etwa von 2000 ab änderten das Bild. Danach hatten die schon vor etwa 12 000 Jahren Seetüchtige Boote, mit denen sie die Kanalinseln etwa 11 500 vor Christus besiedelten. Sehr wahrscheinlich wurde auch Nordamerika zumindest teilweise mit Hilfe von seetüchtigen Schiffen und nicht ausschließlich zu Fuß über die Beringstraße besiedelt. Damit konnten sie die Enten auch an ihren Brutplätzen bejagen und deren Eier sammeln. 241.

Auf Anacapa Island, San Nicolas und besonders San Miguel in Kalifornien wurden mehrfach Knochen der Ente gefunden. 239., 240.

Teile des Skeletts der ausgestorbenen flugunfähigen Ente Chendytes lawi wurden in den Abfällen indianischer Siedlungen aus Nordkalifornien. Sie stammten laut Radiocarbondatierung etwa von 3780 vor Christus. Auch in der Port Orford Formation in Oregon wurden Knochen dieses Vogels gefunden. 255.2

 

Abstammungsübersicht: Z107. (Chendytes), Z107. Unterfamilie: Enten (Anatinae), Z107. Familie: Entenvögel (Anatidae), Z107. Ordnung: Gänse- und Entenvögel (Anseriformes), Z107. Gänse- und Entenvögel (Galloanserae), Z95. Neukiefer (Neognathae), Vögel (Aves),

Übersicht über die Abstammung der Vögel

Vögel (Aves), Z98. Archosaurier (Archosauria), Z98. Schuppenechsen (Lepidosauria), Z98. (Romeriida, Diapsida), Z98. Schläfengrubenlose (Anapsida), Z98. Klasse: Reptilien (Reptilia), Z98. Amnioten (Amniota), Z98. Vierbeiner (Tetrapoda), Z98. Fleischflosser (Sarcoptergii), Z98. Knochenfische (Ostheichtyes), Z98. Kiefertragende (Gnathostomata), Z98. Unterstamm: Wirbeltiere (Vertebrata), Z94. Reich: Tiere (Animalia), Z12. Überreich: Mehrzeller (Metazoa), Z12. Domäne: Eukaryoten (Eukaria), Z12. Lebewesen


O5.8 Flugunfähige Vögel, O5.24 Quellen
O5: Kersti: Inseltheorie: Zuwanderung, Aussterben und Evolution auf Inseln, OI5.
Z115. Inseln und Kontinente (alphabethisch)
Z103. Alphabetische Liste der Namen der Tiere auf latein, Z104. deutsch

Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, https://www.kersti.de/, Kersti_@gmx.de
Da ich es leider nie schaffe, alle Mails zu beantworten, schon mal im voraus vielen Dank für all die netten Mails, die ich von Lesern immer bekomme.