erste Version vor: 26.02.01
letzte Überarbeitung: 10/06

V174.

Warum ich schreibe, wie es war, ausgegrenzt zu sein

Als ich für "Idee und Bewegung" meinen Außenseiterartikel "Das Gewicht einer Gabe" schrieb, äußerte eines der anderen Mitglieder der Redaktion die Vermutung, daß ich das geschrieben hätte, weil ich mit der damaligen Zeit einfach innerlich noch nicht fertig geworden sei und deshalb der ganzen Welt die Probleme an meinen damaligen Schwierigkeiten geben wolle.

Irgendwo ist dieser Gedanke auch naheliegend. Immerhin HABE ich mich bemüht, die Situation in ihrer ganzen Härte zu zeigen und habe all die häßlichen Dinge geschrieben, die damals waren. Und außerdem BESTEHE ich darauf, daß ich damals - mit meinem damaligen Wissen und Können, keine Möglichkeit hatte, die Situation zu ändern.

Mein Grund dafür war aber ein anderer: Ich hatte damals schon festgestellt, daß meine Mitschüler und unsere Lehrer im wahrsten Sinne des Wortes nicht wußten, was sie taten. Sie waren ehrlich der Ansicht, daß ihr Verhalten wirklich nur aus harmlosen Späßchen bestände und daß ich abgesehen davon genau wüßte, wie ich mich verhalten müßte, damit sie alle wieder lieb zu mir wären. In Beidem irrten sie sich gewaltig. Nur hat mir niemand lange genug zugehört, damit ich ihnen das klarmachen konnte.

Ich weiß, daß es auch heute viele Menschen gibt, die in einer ganz ähnlichen Situation sind, wie ich damals. Und ich gehe davon aus, daß es sehr viel leichter ist, sich eine Darstellung eines Menschen bis zum Ende anzuhören, dem man die geschilderten Verbrechen (und so etwas ist ein Verbrechen, damit kann man Menschen reif für die Klapsmühle machen!) nicht gerade selber antut, und erst wenn man es so, sozusagen aus der Vogelperspektive verstanden hat, wo genau das Problem liegt und was man anders machen muß, erst dann kann man solche Probleme da erkennen, wo man selbst sie anderen bereitet und sein eigenes Verhalten bessern.

Das Problem der Ausgrenzung kann nie der ausgegrenzte allein lösen. Er braucht immer Hilfe von den anderen. Allerdings kann man ihm in dem Augenblick nicht mehr helfen, wo er so vollständig aufgegeben hat, daß er nicht mehr bereit ist, selber etwas zu tun.

Kersti

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Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, https://www.kersti.de/, Kersti_@gmx.de
Da ich es leider nie schaffe, alle Mails zu beantworten, schon mal im voraus vielen Dank für all die netten Mails, die ich von Lesern immer bekomme.