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Was ist ein Fahrtenlied?

Ein Fahrtenlied ist ein Lied, das zum Liedgut von Pfadfindern, Wandervögeln oder ähnlichen Gruppierungen gesungen wird. Im engsten Sinne bezeichnet es nur diejenigen Lieder die von Angehörigen dieser Gemeinschaften für diese Gemeinschaften geschrieben und dort gesungen werden, im weitesten Sinne alles was auf Wanderungen oder Fahrradtouren gesungen wird.

Das Wort ist von "Fahrt" abgeleitet, was bei Pfadfindern und Wandervögeln eine Wanderung oder Fahrradtour bezeichnet.

Gelegenheiten bei denen gesungen wird

Je nach Bund und Gruppe wird unterschiedlich viel gesungen. In Bünden, in denen das Singen eine sehr große Rolle spielt, kann im Tagesablauf zu folgenden Gelegenheiten gesungen werden: Morgends singt eine Gruppe im Zeltager zum Wecken. Sobald alle aufgestanden und angezogen sind, findet eine Morgenfeier statt, bei der man sich im Kreis versammelt, ebenfalls viel gesungen und vielleicht noch das ein oder andere Gedicht oder ein paar kurze Gedanken vorgetragen werden. Zusätzlich gibt es zur Einleitung und als Abschluß jeder Malzeit ein Lied. Außerdem werden wird jede Wartezeiten dadurch überbrückt daß sich spontan Grüppchen zum Singen zusammenfinden. Schließlich versammeln sich abends alle am Lagerfeuer und singen noch stundenlang gemeinsam. Außerdem wird an Anfang und Ende jeder Veranstaltung, jeder Fahrt und jeder Gruppenstunde zu jeder feierlichen Gelegenheit gesungen. Wenn man von Außenstehenden Hilfe erhielt, bekommen sie zum Dank ein Lied vorgetragen.

Bei wie vielen Gelegenheiten gesungen wird, variiert von Bund zu Bund erheblich, doch zumindest das abendliche gemeinsame Singen und das Singen zu feierlichen Gelegenheiten gehören bei allen Pfadfindern, Wandervögeln und sonstigen Bündischen und jugendbewegten Gruppierungen dazu.

Typisch für das Singen in Bünden ist, daß viele Jugendbewegte Lieder in ihren eigenen handgeschriebenen Liederbüchern sammeln. ASußerdem geben viele Büünde eigene Liederbücher in Klein- und Kleinstauflagen heraus.

Liedinhalte

Die Inhalte des Liedgutes sind durch die für die Jugendbewegung typischen Erlebnisinhalte und die Geschichte der Jugendbewegung geprägt.

Sie umfassen alle Erlebnisinhalte, die für das gemeinsame auf Fahrt gehen typisch sind wie Naturerleben, Gemeinsames wandern, das singen selbst, gegenseitige Unterstützung und typische Erlebnisse beim Umgang mit Außenstehenden. Außerdem kommen Lieder über Bevölkerungsgruppen und Subkulturen vor, die eine Lebensweise haben, die an das auf Fahrt gehen erinnert: Zigeuner, Wanderburschen (Handwerk).

Auf Auslandfahrten wurden Lieder der typischen Fahrtenländer in das Liedgut der Bünde übernommen. So gehören zum Fahrtenliedschatz der Bünde Lieder aus den beliebten Fahrtenländern Norwegen, Schweden und Finnland, sowie in der Zeit der Weimarer Republik Rußland und ebenso Lieder über diese Länder.

  • Abenteuerliches: Ritter, Piraten
  • Weltkriege: Landsknechtslieder
  • Freiheitliches, Reformerisches, revolutionäres
  • Märchenhaftes

Entwicklung des Liedschatzes

Zupf

Um 1900 entdeckte die Wandervogelbewegung das Volkslied neu. Hans Breuer veröffentlichte 1909 mit dem "Zupfgeigenhansl" das Liederbuch der Jugendbewegung. 1914 erschien die 10. und endgültige Auflage dieses Werkes, das bis 1933 in einer Auflage von weit über einer Million Exemplaren gedruckt und verbreitet wurde. Nach dem 1. Weltkrieg brachen die Bemühungen dieser Bewegung zunächst zusammen.

Die zweitwichtigste Quelle der bündischen Lieder ist interessanterweise kaum einem bewusst - das "Allgemeine Kommersbuch". In der ganz alten Zeit griffen die Wandervögel das Liedgut der Studenten auf. So sind z.B. viele Soldatenlieder, die um 1900 bekannt waren, in das bündische Liedgut aufgenommen worden, später entstandene dagegen nicht. "Sie haben Tod und Verderben gespien" ist so eins.

Ein in den 1910er Jahren waren die Gedichte des Freiherrn von Münchhausen Allgemeingut. Der wurde viel vertont, z.B. von Robert Götz "Jenseits des Tales". Auch die Gedichte von Klabund wurden oft vertont. Viele Lieder aus der Zeit gab es mit verschiedenen Melodien. Die Verbreitung erfolgte mündlich. Überhaupt kann man die Liedgeschichte nicht allein an den Büchern festmachen.

Fritz Jöde vertonte "Der Kleine Rosengarten" und "Auf der Lüneburger Heide" von Hermann Löns.

1. Weltkrieg

Dann kam der 1. Weltkrieg, zu der Zeit sind viele besonders schwermütige Lieder entstanden, etwa "Wir auf den fernen Straßen". Der Tofall des Soldatenliedes wirkte stark prägend. Buchveröffentlichungen gab es nur vereinzelt und ohne Breitenwirkung. In den Schützengräben breitete sich lokales Liedgut jedoch überregional aus.

Weimarer Republik

Nach dem Krieg, in dem 3/4 aller Wandervögel gefallen sind, gab es einen Neuanfang. Die bündische Jugend im engeren Sinn entstand, die viele Lieder selber schuf. Wichtige Bücher waren "Der Spielmann" vom Quickborn, "Kameraden Singt!" von Robert Oelbermann. Der Jugendmusikpadagoge Walter Hensel hatte seine Hochzeit mit dem vielzitierten "Singenden Quell" und "Strampedemi". Über die Pfadfinder fand der "Jungvolker" Verbreitung (die 'evangelische Mundorgel').

Geradezu legendär sind die "Lieder der Eisbrechermannschaft" aus der Deutschen Jungenschaft. Im damaligen Deutschland hatte man die Kämpfe in Russland zwischen den Weißen und den Roten hautnah verfolgt, Schiwago lässt grüßen. Es entstanden zahllose Pseudo-Kosakenlieder und Eindeutschungen, aus gleicher Quelle auch die "Soldatenchöre der Eisbrechermannschaft".

Koebel mit dj.1.11 regte die Nordland- und Russlandromantik an, die man heute noch in der Bündischen Jugend wiederfindet (insbesondere im Liedgut). dj.1.11 führte außerdem die Kohte, die Jurte und die Jungenschaftsbluse in die bündische Jugend ein.

3. Reich, 2. Weltkrieg

Dann warf der zweite Weltkrieg seine Schatten. "Horch auf Kamerad" und die "Weiße Trommel" von Hans Baumann erschienen. Hans Baummanns Lieder, kann man sagen, waren einfach gut. Er traf den Nerv der Zeit und wurde von Bündischen wie von Nazis gleichermaßen vereinnahmt und sogar nachher nicht verfehmt. Das Liederbuch des sauerländischen Gebirgsvereins "Unsere Lieder" von Fritz Sotke hatten viele. Die "Lieder der Südlegion" entstanden noch in der Verbotszeit, auch "Aus grauer Städte Mauern" von Robert Götz. Die kirchlichen Gruppen wurden im 3. Reich als letzte verboten und hatten auch als letzte die Gelegenheit, Liederbücher zu drucken. "Das Singeschiff" und "Lieder der Reiterbuben" und das "St. Georgsliederbuch" sind Standardwerke.

Im Krieg hatte eine beachtliche Wirkung "Uns geht die Sonne nicht unter", ein Bündisches Liederbuch, mit dem Günter Wolff die Hitlerjugend unterwanderte.

Nachkriegszeit

Nach dem zweiten Weltkrieg geschah ein Paradigmenwechsel. Elvis Presley änderte alles. "Bündische" waren nicht mehr die Jungen von 8 bis 12, sondern eine immer kleiner werdende Sondergruppe.

Die bei ihm verbliebenen Nutzungsrechte brachte Ludwig Voggenreiters Bruder Heinrich 1949 in den in Bad Godesberg neugegründeten Voggenreiter Verlag ein, neben Liederbüchern wie Der Turm.

Der Südmarkverlag gab die "Liederblätter deutscher Jugend" heraus. Es entstand Helms "Turm" zuerst in mehreren Teilen. Es ist Helms Verdienst, die vielen Lieder, die in der Verbotszeit nicht gedruckt werden konnten, einzusammeln und zu dokumentieren.

Wichtige Bücher aus der Bundesrepublik sind "Unser fröhlicher Gesell", Alfs "Querfeldein" und die "Mundorgel". Der Fidula-Verlag hat in der Mundorgel sehr viel an Melodien und Texten verfälscht.

In unseren Tagen sind der "Schwarze Adler" und der "Liederbock" maßgeblich. Beide sehr gut und beides Epigonenwerke, boße Sammlungen von Altem. Nur ganz wenige haben Neues geschaffen, das angenommen wurde. "Lieder von Mac" und der "Silberspring" aus dem Zugvogel sind löbliche Ausnahmen.

Der Verbreitungsmechanismus neuer und neuer alter Lieder veränderte sich zusehends weg vom Buch, hin zum Tonträger. Peter Rohlands "Landstreicherballaden" machten das musikalische Landstreichertum populär, die Bockreiter das nerothane Singen.

Bündische Liedermacher

  • Alo Hamm (Silberspring)
  • Alexej Stachowitsch
  • Eberhard Koebel (tusk) "Über meiner Heimat Frühling"
  • Erik Martin
  • Hans Leip
  • Hans Baumann
  • Hans Kulla
  • Kurt Kremers
  • Walter Gättke
  • Werner Helwig
  • Walter Scherf
  • Alfred Zschiesche Seine Lieder: http://scout-o-wiki.de/index.php/Alfred_Zschiesche
  • Kurt Heerklotz
  • Manfred Hausmann

Welt: WOLFGANG KASCHUBA, Volkslied und Volksmythos - Der "Zupfgeigenhansl" als Lied- und Leitbuch der deutschen Jugendbewegung
Welt: Wolfgang Lindner: Jugendbewegung als Äußerung lebensideologischer Mentalität, Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2003, 492 Seiten, ISBN-13 978-3-8300-0886-6, ISBN-10 3-8300-0886-4
Welt: Singen in den Bünden - "Der Zupfgeigenhansl und seine Nachfolger" Ein Vortrag von Helmut König (helm) (PDF)

Kersti

S1. Lied: Siehst du die uralte Eiche, MP3
S2. Lied: Ich träume gerne, MP3
S3. Lied: Nur wer das Dunkel kennt, MP3
S4. Lied: Du bist wie ein Traum, MP3
S5. Lied: Oh die alten Lieder, wo kann man sie hören?
(Das verlorene Land von Amp-Amon)
, MP3
S6. Lied: Tanz ins Licht, MP3
S7. Lied: Weg, mein Weg, wo führst du mich hin?, MP3
S8. Lied: Es ist eine Zeit der Stille, MP3
S9. Lied: Darorfalas, MP3
Flackernd leuchtender Brand, MP3
Tag ist längst verblüht, MP3
S10. Lied: Ich will die Welt verbessern, MP3
S11. Lied: Lied der Bäume, MP3
S12. Lied: Meine Tränen sind Lieder, MP3
S13. Lied: Neue Lieder will ich singen, MP3
S14. Lied: Regenbogenwanderer, MP3
S15. Lied: Weine, kleines Mädchen weine, MP3
Auch Du mußt deine Fehler machen, MP3
S16. Lied: Es kann die Ehre dieser Welt (Text: Theodor Fontane), MP3
S17. Lied: Sag mir, was ist das für eine Zeit?, MP3
S18. Lied: Lied meiner Seele, MP3
S19. Lied: Kurze Gedichte I
S20. Lied: Drache erwache, MP3
S21. Lied: Kurze Gedichte II
S22. Lied: Atlantis, MP3
S23. Lied: Dämmervögel, MP3
S24. Lied: Schöne braun und goldne Federn, MP3
S25. Lied: Mein Traum ist nicht Dein Traum, MP3
S26. Lied: Tränen für Ravaillin, MP3
S27. Lied: Tore des Lebens, MP3
S28. Lied: Sternengeborgen, MP3
S29. Lied: Weltentraum, MP3
S30. Lied: Die Wahrheit, der Weg und das Licht, MP3
S31. Lied: Die Regenfahrt, MP3

Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, https://www.kersti.de/, Kersti_@gmx.de
Da ich es leider nie schaffe, alle Mails zu beantworten, schon mal im voraus vielen Dank für all die netten Mails, die ich von Lesern immer bekomme.