erste Version: 5/2017
letzte Bearbeitung: 5/2017

VB202.

Hochsensibilität

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Übergeordneter Artikel:
V305. Kersti: Die Realität nicht vollständig sehen durch abspalten, verdrängen, vergessen, filtern oder abgrenzen
Dieser Text:
VB202.1 Kersti: Text
VB202.2 Kersti: Hochsensibilität kann zu auf mißlungener Anpassung beruhenden Krankheitsbildern wie ADHS, Autismus und Helfersyndrom führen
VB202.2.1 Kersti: ADHS: Hochsensible im Dauerstreß
VB202.2.2 Kersti: Autismus: Hochsensible auf dem Rückzug
VB202.2.3 Kersti: Helfersyndrom: Hochsensible, die in der Kindheit als Therapeuten mißbraucht wurden
VB202.3 Kersti: Hochsensibilität, Kindliches Verhalten von Erwachsenen und die daraus entstehende Anpassungsfähigkeit
VB202.3.1 Kersti: Hochsensibilität, Kindliches Verhalten, Anpassungsfähigkeit und Abweichungen vom instinktiven Grundmuster
VB202.3.2 Kersti: Anpassungsfähigkeit und konkrete Anpassungsforderungen erfüllen sind zwei paar Schuh
VB202.3.3 Kersti: Kaum anpassungsfähig und sozial inkompetent sind die Normalen
VB202.3.3 Kersti: "Du sollst den Satz gar nicht interpretieren!"
VB202.3.4 Kersti: Gesunde Hochsensible: Es geht auch anders!
VB202. Kersti: Quellen

 
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1.

Im Ultrakurzzeitgedächtnis werden beim normal veranlagten Menschen 97% der aufgenommenen Daten gelöscht, im Kurzzeitgedächtnis werden hiervon wiederum 90% gelöscht, es bleiben also nur 0,3% der aufgenommenen Daten übrig2. S. 33. Die wesentliche Folge der Unterschiede zwischen ADHSlern und durchschnittlicher veranlagten Menschen ist, daß bei Hochsensiblen ein geringerer Anteil der Daten ausgefiltert werden. Unabhängig davon wie sie sich im alltag verhalten, nehmen Hochsensible mehr von dem bewußt wahr, das sie sehen, hören und riechen und es kann ihnen schnell zu viel werden.

V305. Kersti: Die Realität nicht vollständig sehen durch abspalten, verdrängen, vergessen, filtern oder abgrenzen

 
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2. Hochsensibilität kann zu auf mißlungener Anpassung beruhenden Krankheitsbildern wie ADHS, Autismus und Helfersyndrom führen, ist aber auch mit körperlicher und geistiger Gesundheit vereinbar

2.1 ADHS: Hochsensible im Dauerstreß

ADHS hat eine starke genetische Komponente. Wie bei den meisten erbbedingten psychischen Störungen liegt die Prävalenz von ADHS bei denen mit der entsprechenden Veranlagung nur bei etwa 50% - das heißt die Umwelt spielt bei der Entstehung des Krankheitsbildes ebenso eine Rolle wie die Veranlagung.1. S.407ff

Konsequenterweise lassen sich bei ADHSlern diverse Unterschiede im Stoffwechsel zu normal veranlagten Personen nachweisen, die sich auch auf die Gehirnentwicklung auswirken.2. S.32-35, 1. S.407ff

Deshalb kann das Netrvensystem überreizt werden oder unwichtiges wichtiges überlagern, Folgen: Vergeßlichkeit, Erschöpfung, Konzentrationsmangel.2. S.32-35

Autor: Sarina J. Grosswald belegt, daß die Folgen von Dauerstreß, den Symptomen von ADHS nahezu vollständig entsprechen. Außerdem belegt sie, daß diverse denkbare Streßursachen für Kinder das Risiko, ADHS-Symptome zu entwickeln erhöhen.3.. Wenn man das mit der bekannten Tatsache zusammenbringt2. S.32-35, daß das Nervensystem von ADHSlern weniger Daten ausfiltert, ist neben den großen Streßursachen wie Scheidung, Streit zwischen den Eltern und Ähnliches, Dauerstreß durch Überlastung mit unbedeutenden Reizen eine zweite Teilursache. Das entspricht ziemlich genau meiner Beobachtung, warum nach einer Phase wo diese Symptome fast nicht mehr vorhanden waren, in meinem Studium sämtliche ADHS-Symptome wieder aufgetaucht sind.
VA152.3 Kersti: ADHS: Studieren macht mich krank und ich hatte guten Grund, die Schule so zu hassen

Autor: Doris Ryffel-Rawak schreibt in ihrem Buch über Erwachsene mit ADHS daß ADHSler immer hochsensibel sind, daß aber nicht alle hochsensiblen Menschen ADHS entwickeln4.2 S.23f. Hochsensible Menschen reagieren auf Einzelreize, die normal veranlagten Menschen noch harmlos erscheinen, manchmal extrem und werden von Dauerberieselung mit Geräuschen oder anderen Sinnesreizen schneller in einen Dauerstreßzustand gebracht. Dafür wie oft ADHSler Reize, die andere kaum registrieren, als überwältigend stark wahrnehmen können, bringt Ryffel-Rawak in ihren Büchern viele Beispiele4., ein selbst erlebtes Beispiel ist meine Reaktion auf einen Befehlston in einem Spiel, der mich Sekundenlang buchstäblich erstarren ließ:
VA238.1.5 Kersti: ADHS: Heftige Überreaktionen auf mittelstarke plötzliche Reize
VA238.1.6 Kersti: ADHS: Wahrnehmungen, wo andere nichts wahrnehmen und Schmerzen und Erschöpfung durch schwache Dauerreize

Ebenso verheerend wirkt sich die Forderung aus, daß sich die persönliche Veranlagung gefälligst nicht darauf auswirken solle, was einem ADHSler gut gelingt und was schlecht.
VA265.2.1 Kersti: Erlernte Hilflosigkeit wegen Fehlanforderungen
Genauso wenig wie der Hochbegabte auf Befehl dumm sein kann und deshalb Probleme bekommt, wenn von ihm verlangt wird, er solle gefälligst normale Leistungen bringen.
O6: Kersti: Hochbegabung als Verständigungshindernis, OI6.
oder umgekehrt minderbegabte Menschen plötzlich die Leistungen bringen können, die für ein Abitur erforderlich sind, kann der ADHSler an seinen persönlichen Schwachpunkten überragende Leistungen erbringen oder seine angeborene Kreativität auf Befehl ausschalten.

 
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2.2 Autismus: Hochsensible auf dem Rückzug

Daneben kann Hochsensibilität auch zu einem zweiten Bild der Anpassungsstörung führen, nämlich Autismus oder dem Asperger-Syndrom22. S.23f. In den beiden Erfahrungsberichten, bei denen ein zunächst schwer autistisch gestörtes Kind letztlich zu einem gesunden Erwachsenen heranwächst, spielt die Notwendigkeit das Kind vor Reizüberflutung zu schützen und auf seine vom Durchschnitt abweichenden Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen dann auch eine erhebliche Rolle bei der Planung der Therapie durch die Eltern5., 6.. Auch Betroffene betonen, daß Reizüberflutung ein zentraler Teil ihres Problems ist23. S.69ff, 24.. Während bei ADHS Konzentrationsstörungen durch erzwungene oder durch die Umstände (z.B. Schule) aufgezwungene Reizüberflutung im Vordergrund steht, stehen bei Autismus und Asperger zwischenmenschliche Probleme, weil der Betroffene aus seiner Hypersensibilität heraus die Welt so anders wahrnimmt, daß er einerseits nicht versteht, warum seine Mitmenschen erwarten, daß man seine Gefühle ausspricht, statt sie zu spüren. Andererseits führt die Überflutung mit Sinneswahrnehmungen und Gefühlen aber häufig zu einem unterschiedlich stark ausgeprägen sozialen Rückzug. In seiner Extremform verdrängt der Autist alle Gefühle und versucht weder Gefühle von anderen wahrzunehmen noch selber welche zu fühlen. Mit diversen ritualisierten Trickes, versucht er seinen Körper auf einen Zustand einzuschwingen, der keine massive Überforderung darstellt. Das ist der Autist der sozial nicht erreichbar ist, der nicht sprechen kann und extrem auf Ordnung besteht und Musik und das drehen von Gegenständen verwendet, um sich in einen entspannten Zustand zu bringen. Auf Reizüberflutung reagiert er mit langanhaltendem schrillen Geschrei. Wenn ihm die Anpassung besser gelingt, zeigt sich vor allem, daß Reizüberflutung zu vermeiden sucht, indem er Leute nicht ansieht und soziale Kontakte auf ein geringeres Maß als üblich beschränkt. Viele soziale Konventionen sind ihm unverständlich, weil der zu deutlich sieht, was beim anderen los ist6., 7. S.49f, 8.. Warum muß ich andere grüßen, wenn man doch auch so merkt, ob er freundlich oder unfreundlich gesinnt ist? Warum muß ich Gefühle mitteilen, wenn man das doch spürt? Warum leugnen die Leute Gefühle und Gedanken, die sie doch offensichtlich haben und man muß auf etwas ganz anderes reagieren, das völlig unklar ist. (Klar, wenn man das Gesicht nicht anschaut, sieht man den Gesichtsausdruck auch nicht.)
VB189. Kersti: Autismus - Gedanken zu einem rätselhaften Phänomen

 
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2.3 Helfersyndrom: Hochsensible, die in der Kindheit als Therapeuten mißbraucht wurden

In der Kindheit birgt die mit Hochsensibilität verbundene therapeutische Begabung das Risiko, von Erwachsenen gegen den eigenen Willen und ohne daß die Grenzen des Kindes beachtet werden, als Therapeut mißbraucht zu werden, wie das Autor: Alice Miller in ihrem Buch " Buch: Das Drama des begabten Kindes" allgemein für Kinder mit therapeutischer Begabung beschreibt9.; 10. S.55. Dieser emotionale Mißbrauch kann dann im Erwachsenenalter zum Helfersyndrom führen, das Autor: Wolfgang Schmidbauer in " Buch: Die hilflosen Helfer. beschreibt9.; 11..
O11.3.3.1 Kersti: Das zum Familientherapeuten erzogene Kind

 
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3. Hochsensibilität, kindliches Verhalten von Erwachsenen und die daraus entstehende Anpassungsfähigkeit

3.1 Hochsensibilität, Kindliches Verhalten, Anpassungsfähigkeit und Abweichungen vom instinktiven Grundmuster

Hochsensible Menschen, unabhängig davon wie sich die Hochsensibilität äußert, wirken als Kinder oft Altklug, als Erwachsene und im Alter aber oft noch ungewöhnlich kindlich und verspielt7. S.245f, 21. S.36. Beides hängt eng miteinander und der bei dieser Veranlagung vorhandenen Hochsensibilität5. S.45 zusammen, die genau wie der Spezialfall Asperger zu der Verbindung von Altklugheit als kleine Kinder und einem jung wirken als alte Menschen verbunden ist. Diese Verspieltheit als Erwachsene hat wiederum mit der generell bei Hochsensiblen vorhandenen Lernfähigkeit bis ins hohe Alter zu tun5. S.45.

Autor: Konrad Lorenz beschreibt diesen Zusammenhang im Vergleich zwischen stark spezialisierten Tieren mit weniger spezialisierten Tieren.

Spezialisten, also stark spezialisierte Tiere, sind im allgemeinen wenig flexibel in ihrem Verhalten und die meisten ihrer Verhaltensweisen sind instinktiv vorgegeben und durch Lernen kaum zu verändern. Solche Tiere sind wenig neugierig.

Generalisten, also wenig spezialisierte Tiere, zu denen beispielsweise der Wolf zählt, aber auch die Menschenaffen, haben eine stark ausgeprägte Neugier und müssen einen größeren Anteil ihres Verhaltens erlernen. Sie können deshalb leicht zwischen unterschiedlichen Ernährungsweisen wechseln und sich an unterschiedliche Lebensweisen und Lebensräume anpassen, sie können aber mit stark spezialisierten Tieren in deren Spezialbereich nie mithalten. Ein zentrales Merkmal des Generalisten unter den Tieren ist, daß er jugendliche Merkmale wie das Spiel, insbesondere das Neugierspiel, länger beibehalten als Spezialisten.

Nach dieser Aufteilung wäre der Mensch ein extrem ausgeprägter Generalist.13. S.231ff
VB179. Kersti: Anpassungsfähigkeit und Spezialisierung - Der Unterschied zwischen Mensch und Tier
VB2. Kersti: Lernen ist Spiel
VB5. Kersti: Spiel macht unser Lernen realitätsbezogen
Während sich bei Menschen später in der Entwicklung Fähigkeiten zeigen, die kein Tier hat, sind menschliche Babys erst mit einem Jahr in etwa so weit ausgereift wie Neugeborene unserer nächsten Verwandten unter den Menschenaffen und viele menschliche Eigenarten sind nicht etwa darauf zurückzuführen, daß Menschen erwachsenere Tiere wären, sondern im Gegensatz darauf, daß Menschen Eigenarten - wie das Neugierspiel - zeitlebens beibehalten (Neotenie), die viele Tiere nur als Jungtiere haben. Menschen sind also nicht besonders erwachsene sondern eher besonders kindliche Tiere. Genau diese Kindlichkeit ermöglicht es Menschen, zeitlebens zu lernen13. S.229ff; 15.. Diese speziell menschliche Eigenart ist bei verschiedenen Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt. Hochsensible Menschen, zu denen generell ADHSler und Autisten oder Asperger zählen, haben mit ihre bis ins hohe Alter vorhandenen Verspieltheit also die Grundlage für die hohe Anpassungsfähigkeit der Menschen und ihre Fähigkeit sich an instinktiv nicht vorgegebene Dinge anzupassen weit stärker ausgeprägt als das der Durchschnittsbürger.

Hochsensible sind weniger stark auf die instinktiv festgelegten Grundmuster des Verhaltens festgelegt. So bescheibt Autor: Steve Silberman in Buch: Geniale Störung., daß Autisten oft Berufe und Hobbys haben die mit in der Natur nicht vorgsehenen Dingen wie Technik zu tun haben16.. Sie legen sich oft ausgefallene oder sogar exzentrische Hobbys zu, sie entwickeln im Wechselspiel von angeborener Veranlagung und Umweltfaktoren oft ausgesprochene Spezialbegabungen6.; 7. S.21ff; 16.. ADHSler sind gewöhnlich ausgesprochen kreativ, weichen mit ihrem Denken und Verhalten aber oft auch wesentlich vom Mainstream ab4.2 S.37ff, 21..

 
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3.2 Anpassungsfähigkeit und konkrete Anpassungsforderungen erfüllen sind zwei paar Schuh

Das Ausmaß der Anpassungsfähigkeit allgemein muß man von der Fähigkeit sich eine bestimmte Anpassungsanforderung zu erfüllen unterscheiden.

Ein Mensch kann sich nicht daran anpassen, unter Wasser zu atmen und wie ein Fisch seinen Sauerstoff aus dem Wasser zu beziehen. Das heißt aber nicht, daß ein Mensch weniger anpassungsfähig wäre als ein Fisch.

So bedeutet eine intellektuelle Hochbegabung unzweifelhaft eine erhöhte Problemlösefähigkeit und eine erhöhte Fähigkeit, etwas zu verstehen. Doch an dem Problem der Anpassung an die Anforderung sich normal zu verhalten und die Normalen zu verstehen, scheitern Hochbegabte oft genau wegen dieser Fähigkeit.
O6: Kersti: Hochbegabung als Verständigungshindernis, OI6.
Genauso sind Hochsensible zwar ungewöhnlich anpassungsfähig, aber sie liegen wie die Hochbegabten in ihrer Grundveranlagung so weit außerhalb der Norm, daß sie dennoch nicht in der Lage sind, sich an die normalen Anforderungen anzupassen. Hochsensible sind auch ungewöhnlich gut darin, ungewöhnliche Denkweisen zu verstehen, doch wenn sie das normale Denken verstehen sollen, scheitern sie.

Die meisten normal veranlagten Menschen scheitern daran ein blindes oder taubes Kind so zu erziehen, daß es sich gesund entwickeln kann, wenn sie in diesem Bereich keine Spezialausbildung erhalten haben18., 19., 20..

Daß Hochsensible besonders anpassungsfähig sind, zeigt sich wenn ungewöhnliche Anforderungen gestellt werden. So war Autor: Gunde Kottenrodt, die natürlich wie ihr Sohn eine Asperger-Grundveranlagung hat, laut ihrem Buch6. und persönlichen Gesprächen zwar ohne besondere Anleitung ungewöhnlich gut darin, auf die besonderen Bedürfnisse von psychisch kranken, vernachlässigten und traumatisierten Kindern und Jugendlichen einzugehen. Sie konnte auch diverse Behinderungen und neurologische Ausfälle ungewöhnlich gut kompensieren. Als völlig normaler Mensch wäre sie aber niemals durchgegangen, dazu war ihr Verhalten zu unkonventionell. Genauso hatte ich immer geglaubt, es fehle mir an Anapssungsfähigkeit, bis ich es mit Blinden und anderen körperbehindeten Menschen, sowie mit Menschen die ungewöhnliche und sehr extreme Lebenserfahrungen hinter sich hatten, zu tun bekam. Danach war mir klar, daß ich zwar niemals als normal gelten würde, aber auf jeden Mensch, der völlig außer der Norm liegt sehr viel differenzierter eingehen konnte, als andere Menschen das können.
VA231.6 Kersti: An denen die selber ungewöhnlich sind, merke ich wie unglaublich anpassungsfähig und -bereit ich bin
O4. Kersti: 2.5 Anderssein: Es ist schwierig, die Normalen zu verstehen

 
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3.3 Normalveranlagung begünstigt massive soziale Defizite, denn von sich auf andere schließen funktioniert nur bei gleicher Grundveranlagung

Die meisten Menschen versuchen andere zu verstehen indem sie sich vorstellen wie sie sich fühlen würden, wenn sie in derselben Situation wären, wie der andere. Sie schließen also von sich auf andere. Das funktioniert dann, wenn dieser Typ Situation bekannt ist, die bisherigen Lernerfahrungen und die Grundveranlagung ähnlich sind. Wenn man diesen Typ Situationen nicht kennt oder aber eine andere Grundveranlagung dazu führt, daß die Situation, obwohl sie äußerlich gleich ist, sich innerlich völlig anders anfühlt, dann führt dieses von sich auf andere Schließen in die Irre.
O6. 2.2 Alltägliches Erleben als Grundlage von Verständnis oder Unverständnis

Daß eine sinnvolle Anpassung den meisten sehr ungewöhnlichen Menschen nicht gelingen kann, liegt nur teilweise an deren eigenen sozialen Fähigkeiten und an ihrer Fähigkeit sich an die konkreten Anforderungen anzupassen. Menschen die Behinderungen, ausgefallene Veranlagungen und außergewöhnliche Lebenserfahrungen haben, geben gewohnheitsmäßig viele Erklärungen zu ihren Wünschen und Bedürfnissen ab, so daß man als Mensch mit von ihnen abweichender Lebenserfahrung vergleichsweise leicht verstehen kann, wie man ihnen entgegenkommen kann.

Leute, die normal genug sind, daß genug Menschen ihnen sehr ähnlich sind und sie auch ohne Erklärung verstehen, weigern sich oft strikt, ihre Wünsche konkret zu benennen oder zu erklären wie sie zu ihren - mir oft absurd erscheinenden Forderungen, die häufig für einen Menschen mit meiner Veranlagung auch unzumutbar sind - kommen.

Beispielgeschichte, Kersti:

"Du sollst den Satz gar nicht interpretieren!"

Eine Person in einem Forum kritisierte mich. Leider kann ich die Kritik nicht wiedergeben, weil ich davon so wenig verstanden habe, als hätte sie chinesisch geschrieben und sie deshalb nicht im Gedächtnis behalten habe. Der Satz hatte für meine Begriffe keine Bedeutung. Ich wußte weder, in welchen meiner Forenbeiträge der kritisierte Fehler stecken sollte, noch habe ich verstanden, was ich hätte anders machen sollen. Ich sagte also, daß ich sie nicht verstanden hatte und bat sie dasselbe noch einmal mit anderen Worten zu sagen. Sie weigerte sich, das stünde doch da. Für meine Begriffe stand da ein Satz, der sich in selbst widerlegte, aber keinen erkennbaren Bezug zu realen Beiträgen von mir außerhalb dieses Satzes hatte. Da ich wissen wollte, was sie mit dem Satz gemeint hatte, ließ ich meine Fantasie spielen, wie der Satz an sich gemeint sein könnte. Nichts von diesen Interpretationen, auf die ich kam, hatte ich wirklich getan, aber man weiß ja nie was Andere für einen Unsinn in Beiträge von mir hineininterpretiert haben könnten, der von mir gar nicht gemeint war. Sie sagte zu jeder dieser Ideen nur, daß sie das nicht gemeint hätte. Schließlich fragte ich verzweifelt:
"Wie soll ich den Satz denn dann interpretieren?" - interpretieren heißt "verstehen".
"Du sollst ihn gar nicht interpretieren!" kam als Antwort.
Aus ihren weiteren Ausführungen kam heraus, daß sie der Ansicht war, sie hätte ein Anrecht darauf, daß ich ihren Satz sofort so zu verstehen habe, wie sie ihn gemeint hat und wenn ich das nicht tue, wäre das eine gegen sie gerichtete Bosheit.

Ich komme mir oft vor, als wäre ich der einzige normale Mensch unter lauter Marsmenschen, die völlig absurde Dinge tun, weil sie sich die Dinge ganz anders erklären, als es mir logisch erscheint. Seltsamerweise scheinen sie trotzdem im Leben zurechtzukommen, was wohl heißen muß, daß ihre Weltbilder und Denkweisen, die die Welt nachmodellieren, doch genug Ähnlichkeit mit der Welt haben müssen, daß man damit zurechtkommen kann.
VB136.2.2 Kersti: Der Unterschied zwischen inhaltlichen Lücken von Weltbildern und systematischen Fehlern in Weltbildern
VB50. Kersti: 3.6 Niveau 3, Stufe 5: Weltbilder sind unsicher!
VB50. Kersti: 3.7 Niveau 3, Stufe 6: Jedes bewährte Weltbild ist ein brauchbares Modell der Welt
VB50. Kersti: 4.5 Ein Begriff für unterschiedliche Lernvorraussetzungen aufgrund unterschiedlicher Weltbilder ist nötig, um unterschiedliche Lernvorraussetzungen aufgrund unterschiedlicher Veranlagungen tiefgreifend verstehen zu können
Umgekehrt bestätigen sich meine Sichtweisen durchaus in der Praxis und ich habe keinerlei Hinweis darauf, daß meine Denkweise falscher sein könnte als die der anderen. Im Gegenteil bin ich durchaus gebildeter als die meisten meiner Mitmenschen und auch die Dinge, wo ich völlig anderer Ansicht bin als die Mehrheit meiner Mitmenschen bestätigen sich in der Praxis durchaus als richtig.

Natürlich bin ich der Mensch, der anders ist als die anderen, nicht umgekehrt, aber damit ich eine normale Denkweise verstehe, brauche ich für jede solche Denkweise einmal die Erklärung, wie sie Blinde brauchen, wenn man ihnen erklärt, wie das denn mit dem sehen ist. Ich muß verstehen, wie denn Menschen typischerweise darauf kommen, damit ich sie in meinen "Katalog der absurden Konzepte normaler Menschen und warum sie entgegen dem ersten Eindruck doch irgendwie sinnvoll sind" aufnehmen kann und nachher weiß, was mit solchen für mich völlig unlogisch erscheinenden Sätzen normalerweise gemeint ist. Ich gebe mir große Mühe, die Normalen zu verstehen, aber es fällt mir wirklich nicht leicht.
VA231.6 Kersti: An denen die selber ungewöhnlich sind, merke ich wie unglaublich anpassungsfähig und -bereit ich bin

Wenn ihr Vorwurf berechtigt gewesen wäre, hätte ich verstanden, was ihr Satz bedeutet, weil ihre Aussage dann innerhalb dessen gelegenen hätte, was ich mir vorstellen kann, wie ein Mensch denkt. Daher weiß ich: Sie hat mir etwas vorgeworfen, was ich offensichtlich nicht getan habe, sondern was als eine Folge einer Fehlinterpretation von irgendeiner meiner Aussage nur als Vorstellung in ihrem Geist existiert. Sie hat außerdem meine Unfähigkeit, sie ohne Erklärung zu verstehen, als böse Absicht fehlinterpretiert und meine Versuche, von ihr die für ein Verständnis nötigen Erklärungen zu bekommen, für einen Versuch gehalten, ihre - ihrer Ansicht nach völlig klaren Worte - gewaltsam und absichtlich zu verdrehen. Damit sieht sie in meinem Verhalten eine Bosheit, die nicht gegeben ist. Sie nimmt ihre Umwelt als Böse war, obwohl diese Bosheit nur als Gehirnkino in ihrem eigenen Kopf existiert.

Um die Situation lösen zu können, hätte sie erkennen müssen, daß sie einen normalerweise harmlosen Fehler gemacht hatte: Sie hatte sich für mich unverständlich ausgedrückt, indem sie nicht alle zum Verständnis nötigen Informationen mitgeliefert hatte. Da sie diesen eigenen Fehler nicht zu erkennen bereit war, konnte sie die fehlenden Informationen nicht nachliefern und hat meine Versuche, sie zu erfragen, als Versuche, ihr etwas Verletztendes zu unterstellen, fehlinterpretiert. Wild herumraten, weil sich jemand strikt weigert, eine Erklärung zu liefern, ist etwas völlig anderes als eine gezielte Unterstellung einer bösartigen Absicht. Was sie aber gemacht hat, war mir eine böse Absicht zu unterstellen, die so weit außerhalb meines Vorstellungsvermögens lag, daß ich nicht einmal den Satz, mit dem sie das tat, verstanden habe. Sie hat also genau das gemacht, was sie mir nacher vorgeworfen hat und diesen Vorwurf nicht zurückgezogen, als klar wurde, daß ich nicht einmal verstanden habe wovon sie redet.

Aufgrund ihrer sehr durchschnittlichen Veranlagung sind normal Veranlagte im Laufe ihres Lebens nie gezwungen, die sozialen Fähigkeiteiten zu erlernen, die nötig sind, um solche Probleme zu klären. Wenn andere diese normalen Menschen nicht verstehen, bildet sich der Normale aber ein, das läge an der sozialen Inkompetenz des außergewöhnlichen Menschen, ohne zu erkennen, daß sie selbst diejenigen sind, die sozial inkompetent sind, indem sie ihre Wünsche und Denkweisen nicht einmal auf Rückfrage und unterstützt durch aktives Zuhören benennen und erklären können.
VA315.2 Kersti: Normale zu verstehen ist schwierig, Anomale zu verstehen einfach
O4. Kersti: 2.5 Anderssein: Es ist schwierig, die Normalen zu verstehen
Noch schlimmer ist, daß sie oft, wenn sie einen anderen Menschen nicht verstehen, nicht einmal auf den Gedanken kommen, daß er anders reagieren könnte, weil er anders veranlagt ist und deshalb gar nicht normal reagieren kann. Sie gehen blindlings davon aus, daß der andere sich in derselben Situation genauso fühlt, wie sie sich fühlen würden und wenn er sich dann anders verhält als Otto Normalveranlagter sich verhält, werfen sie ihr inneres Kino an und fantasieren sich etwas zusammen, wie man mit einer Normalveranlagung zu so einem Verhalten kommen könnte. Statt dann die richtige Erklärung zu akzeptieren, wenn der Betroffene sein Verhalten erklärt, behaupten sie steif und fest sie wüßten besser was der andere denkt und fühlt als dieser selbst. Die meisten dieser Unterstellungen sind für Hochsensible aller Art sehr verletzend.
VA268. Kersti: Warum mich Bücher über ADHS oft wütend machen

In ihrem Kapitel über Wahrnehmungsprobleme von Autisten schreibt Autor: Temple Grandin, daß Wahrnehmungsprobleme, die sie als hochfunktionale Autistin als sehr wesentliche Ursache des autistischen Verhaltens und ihrer Probleme mit der Welt und ihren Mitmenschen ansieht, in der Wissenschaft kaum untersucht werden23. S.69ff, und daß es Wissenschaftler gibt, die ernsthaft der Ansicht sind, daß es solche Probleme nicht gäbe23. S.73. Als Begründung für das absurde Verhalten, einem Betroffenen ins Gesicht zu sagen was er fühlt würde nicht existieren, geben sie an das wäre nur subjektiv23. S.73. Wenn wir Schmerzen fühlen, weil wir uns an einer Kerzenflamme verbrennen, dann ist dieses Schmerzempfinden zweiffellos subjektiv. Das heißt aber nicht, daß diese subjektive Wahrnehmung sich nicht auf unser Verhalten auswirkt und bedeutet auch nicht, daß sie nichts mit den objektiv vorhandenen körperlichen Vorgängen zu tun hätten, die dazu führen daß wir danach vorsichtiger mit Kerzen umgehen, um uns nicht wieder den Finger zu verbrennen. Im Gegenteil braucht man die Information über subjektive Wahrnehmungen und Gedanken, um das Verhalten von außergewöhnlichen Menschen vollständig zu verstehen und es mit äußerden Beobachtungen und objektiven Befunden am Gehirn und in der Genetik zu korrelieren.

Insgesamt kann ich das, was in unserer Gesellschaft als normale soziale Fähigkeiten durchgeht, oft nur als massive soziale Inkompetenz bezeichnen, verglichen mit dem, was ich von Hochsensiblen kenne.

Menschen die zwar nicht hochsensibel sind, aber entweder, um ihre Bedürfnisse erfüllt zu bekommen, oder aber, weil sie darin unterrichtet wurden, ihre sozialen Fähigkeiten mehr trainiert haben, sind um einiges besser aber auch nicht wirklich genial.

Es sind eine Untergruppe der Hochsensiblen, die in diesem Bereich eine Spitzengbegabung haben.

 
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3.4 Mobbing, Folter, Ignoranz: der Umgang der Welt mit den außergewöhnlichen Menschen

An und für sich, ist es aber dem persönlichen Glück durchaus zuträglich, sich exzentrisch zu verhalten17.. Exzentrischen Verhalten wird von normal veranlagten Menschen oft mit Mobbing beantwortet, insbesondere wenn es durch eine abweichende Veranlagung entsteht, die man nicht auf Befehl ausschalten kann wie Hochsensible oft aus leidvoller Erfahrung berichten können7., 14. S.45, 21. S.131ff.
O4. Kersti: 2.1 Evolutionäre Herkunft des Mobbings: sei normal oder stirb
V40. Kersti: Als käme ich von einem anderen Stern
V41. Kersti: Das Gewicht einer Gabe
Es ist etwas, von dem viele Menschen körperlich oder psychisch krank werden oder wodurch sie in den Selbstmord getrieben werden können. Daher handelt es sich hierbei um ein Verbrechen, nicht um eine Bagatelle. Wer mobbt hat massive soziale Defizite, sonst würde er erkennen, daß das, was er tut, moralisch nicht tragbar ist und erzieherisch nicht wirksam sein kann.
O4. Kersti: 4. Defizite der ausgrenzenden Gemeinschaft
O2: Kersti: Toleranz als Fähigkeit, OI2.

Kinder, die nicht den Erwartungen entsprechen, werden von Erwachsenen oft auf eine Weise behandelt oder erzogen, bei der es sich entweder buchstäblich um Folter handelt16. S.318ff, oder aber mit einer Rücksichtslosigkeit gegenüber den Spezialbedürfnissen und angeborenen Empfindlichkeiten, daß es sich wie Folter anfühlt oder schwere Vernachlässigung bezogen auf wesentliche Grundbedürfnisse bedeutet, ohne daß die Täter selbst begreifen, wie grausam sie sich verhalten4.2, 7., 18., 19., 20..
VB86. Kersti: Autofahren ...
VA265.3.3 Kersti: Wenn mich jemand mitten in einem Lied unterbricht, zerreißt mir das das Herz und sie behauptete ernsthaft, solche Empfindungen gäbe es nicht
VA265.1.3 Kersti: Zahlenkaiser: Die Stimme des Lehrers hat mir buchstäblich wehgetan
VA267. Kersti: Beispielgeschichte, Kersti: Vollkommene Erschöpfung durch Nichtstun
VA274. Kersti: 3. Erschöpfung wird als Faulheit deklariert
VA274. Kersti: Beispielgeschichte, Kersti: "Wie geht es dir?" - und jede Antwort ist falsch!

 
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Magische Hochbegabung

VA256.2 Kersti: Wozu brauchen Indigo-Kinder ADHS?
VA290. Kersti: Magische Hochbegabung

Kersti

 
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Quellen


Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, https://www.kersti.de/, Kersti_@gmx.de
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