FD1.

Torey, komm zum Ausgang

"Torey, komm zum Ausgang." Als ich diese Worte hörte, lief es mir kalt den Rücken herunter. Als Siebzehnjähriger war ich noch nie zum Ausgang gerufen worden, aber ich kannte genug Leute, denen das passiert war. Eigentlich war es allen schon passiert, die so alt waren wie ich - und nachher fehlte ihnen irgendetwas. Ein Arm oder ein Bein. Manchmal war es auch von außen nicht zu sehen, aber sie erzählten mir, daß ihnen der Bauch aufgeschnitten worden war und etwas herausgeholt worden war. Ich kannte inzwischen die Namen aller inneren Organe...

Ich bummelte, als ich den Befehl hörte - aber ich ging. Ich kannte genug Leute, die in dieser Situation versucht hatten, sich zu verstecken, wegzurennen oder einfach nur nicht zu gehen. Aber wenn man sich versteckt, müssen sie nicht einmal suchen, und weglaufen geht einfach nicht. Man wird durch Nervenfolter bewegungsunfähig gemacht und dann kommen sie direkt zum Versteck und bringen einen weg. Ich kannte niemanden, der nach so einer Erfahrung, wenn er wieder zum Ausgang gerufen wurde, ein zweites mal zu fliehen versuchte. Wer jemals geflohen war, ist danach immer widerstandslos zum Ausgang gegangen. Wenn ich irgendeine Chance gesehen hätte, daß es mir irgendetwas bringen könnte, hätte ich es versucht und die Nervenfolter in Kauf genommen, mit der sie einen bestraften und bewegungsunfähig machten, wenn man nicht gehorchte. Tatsächlich tat ich etwas, was sonst niemand tut. Ich suchte immer, wenn ich Zeit dazu hatte, nach einem Weg, mit der ich unseren Lebensraum verlassen konnte. Aber ich hatte noch nichts gefunden. Da hatte ich auch gar nicht mit gerechnet: Niemand war je entkommen. Ich schob es darauf, daß wir zu wenig über unseren Lebenraum wußten, um eine Chance zu haben, denn ich glaubte nicht, daß es unmöglich war, zu fliehen. Und von allen Menschen, von denen ich wußte, waren die Ärzte die, die wohl am meisten wußten. Ich mußte einen Arzt kennenlernen, den ich all meine Fragen stellen konnte. Vielleicht würde das etwas bringen...

Langsam trottete ich zum Ausgang. Als ich an der Schiebetür ankam, öffnete sie sich für mich und ließ mich in die Schleuse.

Ich sah mich um. Es sah immer noch so aus, wie beim letzten mal, als ich hiergewesen war. Damals war ich einfach einem von denen gefolgt, die gerufen worden waren, denn ich hatte gehört, daß an den Ärzten noch alles dran war, obwohl sie erwachsen waren. Und ich hatte daraus geschlossen, daß sie irgendwo leben mußten, wo niemand einem Menschen Teile abschneidet. Und vielleicht, so hatte ich mir gedacht, konnte ich durch die Schleuse auch dorthingelangen... Sie hatten mich durch Folter bewegungsunfähig gemacht und dann kamen sie herein. Der andere wurde abgeholt und sie brachten ihn nachher ohne Beine zurück. Ich aber wurde einfach wieder in unseren Lebensraum gebracht. Na ja, ich hatte im Grunde überhaupt nicht damit gerechnet, daß es etwas bringen könnte. Aber nur indem ich solche Dinge ausprobierte, die niemand tat, konnte ich hoffen irgendetwas herauszufinden, das mir helfen würde, zu fliehen. Ich hatte auch ein paar merkwürdige Dinge so herausgefunden, nur konnte ich mir einfach keinen Reim darauf machen. Gegen die Dinge, auf die jeder kam, hatten sie sich selbstverständlich abgesichert. Ich hatte noch mehr solche Dinge getan. Von daher hatte ich weit öfter Bekanntschaft mit Nervenfolter gemacht, als jeder andere. Aber ich war einfach nicht bereit, aufzugeben. Nervenfolter macht schließlich nichts kaputt, die Operationen schon.

Kersti


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