2/2010
Von da ab war also Tiura mein Schüler. Und er machte sehr große Fortschritte, schnellere als die meisten. Mir wurde relativ bald klar, daß er wie ich zu den Dunklen gehörte, daß ich ihn schon lange kannte und ihm hohe Achtung entgegenbrachte. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl über ihn wachen und ihn vor Fehlern behüten zu müssen, die er hier aus Unwissenheit begehen könnte. Ich erklärte ihm den Sinn vieler kleiner sozialen Regeln und Rituale und daß die anderen Schüler sie brauchten, um sich an diesem Ort sicher zu fühlen.
Irgendeiner der Lehrer des Tempels fragte mich kurz darauf, was ich denn mit Tiura gemacht hätte - plötzlich würde er sich sehr anständig benehmen.
"Ich habe ihm halt die Traditionen des Tempels erklärt."
"Das habe ich doch auch gemacht."
"Ja - aber er hat es nicht verstanden."
Im weiteren Verlauf des Gesprächs wurde mir klar, daß er Tiuras interessierte Fragen für Ablehnung der Traditionen gehalten hatte. Als wenn man etwas begründet ablehnen könnte, was man nicht versteht.
Auch Tiura erzählte mir, daß er Probleme mit den anderen Lehrern gehabt hatte: Sie waren ständig ungeduldig mit ihm, unterstellten ihm, er wolle sie ärgern und sagten nicht genau, was von ihm erwartet wurde.
Quelle: Erinnerung an eigene frühere Leben
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5,
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