1/2012
Der schüttelte den Kopf und zog ein trauriges
Gesicht.
"Das ist aber der Name, der mir genannt wurde - und ich weiß wirklich nicht, wen wir
fragen könnten, was dein richtiger Name ist. Ist es in Ordnung, wenn wir erst einmal bei
Zadek bleiben?"
Der Stumme nickte zeigte aber, daß es ihm
nicht wirklich gefiel.
"Zadek, das ist Kanto. Ihr beiden werdet als
Leibwächter von Dinia, der neuen Frau des
Herrn zusammenarbeiten. Kanto übernimmt
jetzt gleich die Vormittagsschicht, da er
mich schon kennt und in etwa weiß, was ich
von ihm erwarte. Zadek, dich werde ich
gleich ausführlich in deine Aufgaben einweisen und dir das Haus zeigen, damit du heute
Mittag Kanto ablösen kannst. Kommt mit."
Wir folgten Koris durch das mir noch unbekannte Haus in das Schlafzimmer des Herrn.
Dort stellte mir Koris das vierzehnjährige
Mädchen vor, das die neue Frau meines neuen
Herrn war und ließ mich mit ihr alleine.
Das Mädchen antwortete nicht auf die Vorstellung, sondern zog sich die Decke über den
Kopf bis Koris wieder gegangen war. Ich setzte mich auf den Boden neben dem Bett und
wartete. Nach einer Weile schob sie die Decke
wieder nach unten und sah mich an. Ich lächelte ihr zu.
"Geh weg! Ich will mit euch allen nichts zu tun haben!" fuhr sie mich an.
Das konnte ich natürlich nicht tun. Als Leibwächter hatte ich den Dauerbefehl, immer an
ihrer Seite zu bleiben, selbst dann, wenn sie
es nicht wollte, bis meine Ablösung kam. Also
senkte ich nur den Blick und zog ein trauriges
Gesicht.
"Ich HASSE euch alle. Ich will wieder nach
Hause zu meiner Mutti und ... und..."
Sie begann bitterlich zu weinen. Sacht strekte
ich die Hand aus und strich ihr übers Haar,
als wäre sie noch ein kleines Kind. Was war
heute Nacht nur mit ihr geschehen, daß sie so
weinte? Ich versuchte sie durch leises Summen
zu trösten - und wünschte mir ich könnte
sprechen und sie fragen, was los war.
Glücklicherweise begann sie von alleine zu erzählen, wie der Herr sie in dieser Nacht - ihrer Hochzeitsnacht - vergewaltigt hatte und wie weh es getan hatte. Sie hatte ihn angefleht, aufzuhören, doch er hatte sie nur noch
mehr geschlagen. Ich hatte gehört, daß es beim ersten mal etwas weh tun sollte, bei der Frau - aber das klang nicht so, als könne es so richtig sein. Das mußte etwas Ernsteres sein. Ich strich dem Mädchen weiter übers
Haar und fragte mich, wie ich das Koris verständlich machen sollte - es war einfach viel
zu kompliziert, als daß man es erklären könnte, indem man mit Händen und Füßen redet.
"Ich bringe euch das Frühstück, Herrin."
Wir schauten beide erschrocken auf und sahen
das etwa zehnjährige Mädchen, das mit einem
Tablett gekommen war. Die Herrin fing sich
und sagte:
"Danke... - wie heißt du?"
"Tara."
"Danke Tara. Du kannst es auf den Nachtisch
stellen. Aber laß uns jetzt bitte allein."
"Ja, Herrin. Selbstverständlich Herrin."
Die Kleine stellte das Tablett ab, machte einen
Knicks und ging hinaus. Sie war wirklich süß.
Ich sah dem Kind lächelnd nach, dann wurde
ich wieder ernst, wandte mich der jungen Herrin zu und zeigte fragend auf das Tablett mit
dem Frühstück.
"Ich habe keinen Hunger."
Ihre Stimme klang so, wie ich mich die letzten
Tage gefühlt hatte: Als wäre es ihr völlig egal,
ob sie lebt oder stirbt. Mir war es aber nicht
egal.
Ich schob die Decke nach unten und erstarrte. Wenn meine vorherige Herrin ihre Tage hatte, hatte ich manchmal einen Blutfleck auf dem Laken gesehen - aber nie so etwas. Das sah aus, als hätte man ein Schwein im Bett abgestochen. Sie brauchte einen Arzt - und ich wußte nicht einmal, wo ich einen finden konnte.
Sie begann wieder zu weinen. Ich hielt sie in den Armen und streichelte sie tröstend.
"Es hat jetzt aufgehört zu bluten, aber das nächste mal bringt er mich bestimmt um!"
sagte sie seltsam sachlich.
Wenn ich meine Zunge noch gehabt hätte, hätte ich dazu wohl auch nichts zu sagen gewußt. Trotzdem war es bestimmt kein Fehler, wenn sie etwas aß. Also neckte ich sie so lange mit dem Essen, bis sie wieder lachte und eine vernünftige Menge gegessen hatte.
Ein Mädchen räumte danach den Tisch ab, zog das Bett ab und brachte die Laken zum Waschen.
Dann war es schon Mittag und Koris kam mit
Zadek, dem anderen stummen Eunuchen, der
mich ablösen sollte. Dinia wollte mich nicht
gehen lassen. Sie klammerte sich an mich und
flehte mich an, zu bleiben.
"Dinia, Kanto kann nicht die ganze Zeit bei dir bleiben. Er muß jetzt essen, und dann trainieren, damit er, wenn es darauf ankommt,
genug kann, um dich verteidigen zu können.
Also laß ihn schon gehen." sagte Koris zu
ihr.
"Ich will aber, daß Kanto hierbleibt." forderte
die junge Frau.
"Kanto komm!" befahl Koris mir, als er sah
daß ich zögerte, ergänzte er scharf: "Das ist
ein Befehl."
Immer noch zögernd befreite ich mich aus ihrer verzweifelten Umarmung und stand auf.
Wenn es überhaupt etwas gab, das ich für Dinia tun konnte, dann war es sicher nicht, den
ganzen Tag neben ihr zu sitzen. Es mußte
doch irgendeinen Weg geben, Koris mitzuteilen, daß der Herr das Mädchen beim Geschlechtsverkehr ernsthaft verletzt hatte.
Selbst wenn mir das gelang, war natürlich immer noch nicht sicher, daß es überhaupt eine
Möglichkeit gab, den Herrn davon zu überzeugen, daß er anders mit seiner Frau umgehen
mußte.
Quelle: Erinnerung an ein eigenes früheres Leben
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5,
34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615,
Internetseite: https://www.kersti.de/,
Kersti_@gmx.de
Da ich es leider nie schaffe, alle Mails zu beantworten, schon mal
im voraus vielen Dank für all die netten Mails, die ich von
Lesern immer bekomme.
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