F2457.

Trotzdem fühlte ich mich unwohl bei dem Gedanken, einer Echse, die ich nicht einmal wirklich kannte, erlaubt zu haben, daß sie meinen Sohn einfach mitnimmt und vielleicht nie zurückbringt

Vorgeschichte: F2428. Kamiron, die Echse: Ich sagte ihm, daß er auf jeden Fall Briefe von mir oder später seinem Sohn bekommen würde, sobald dieser wieder ausreichend gesund sei

Hans Hermanns Vater erzählt:
Sie hatten meinen Sohn mehr unter Druck gesetzt, als man das mit jungen Leuten tun sollte, daher befürchtete ich das Schlimmste, als er unangemeldet vor meiner Tür stand und aussah, als wäre er bereits tot. Als er meine Mine sah, versuchte er mich zu beruhigen und kramte zum Beweis dafür, daß er völlig zu Recht da war, die Bescheinigung heraus, in der stand, daß er Genesungsurlaub hatte. Ich entschuldigte mich dann bei ihm und sagte, daß ich mir in den letzten Jahren einfach zu viele Sorgen um ihn gemacht hatte.

Eigentlich hätte ich ja darauf kommen können, daß er mit offiziellen Papieren da ist wie geplant, wenn ein Soldat sein Pferd am Zügel führt. Ich sage einem Diener, daß er sich darum kümmern sollte, daß der Mann bekommt was er braucht, ob das nun eine anständige Malzeit oder eine Unterbringung für die Nacht ist und kümmerte mich persönlich darum, daß mein Sohn ins Bett kam.

Ich fragte den Arzt, was ich beachten mußte, um seine Gesundheit nicht zu gefährden. Der erklärten ich solle zuallererst darauf achten, daß der Junge ißt und trinkt, aber wenn er dann noch wach wäre, könnte ich mit ihm reden, sofern ich ihn in Ruhe schlafen lasse, wenn er mitten im Satz einschläft oder den Faden verliert.

Ich hielt mich also an diese Anweisung und das war tatsächlich frustrierend, weil ich über eine Woche zerstreut nur vage Hinweise erhielt, aber da er immer nur einen Satz oder ein paar aus dem Zusammenhang gerissene Worte sagen konnte, bevor er wieder einschlief, wußte ich nicht, was eigentlich passiert war. Zumindest nicht besser, als mein alter Kamerad es geschildert hatte. Und bevor es besser wurde, wollte mein Junge unbedingt ausreiten! Ich sagte ihm, ich könne ihm ein Bett ins Gartenhaus stellen, aber reiten würde er jedenfalls in dem Zustand nicht.

Mein Sohn war kaum in der Lage zu sprechen und wenn er etwas sagte, schien es der Situation unangemessen. Als er dann im Gartenhaus war, wurde es langsam besser. Er verbrachte viel Zeit im Liegestuhl unter den Bäumen und redete auch etwas länger mit mir, wenn er wach war.

Ich vertraue auch dem Urteil von Alexander Hermann von Wartensleben, dem Vater meiner ersten Frau. Trotzdem fühlte ich mich unwohl bei dem Gedanken, einer Echse, die ich nicht einmal wirklich kannte, erlaubt zu haben, daß sie ihn einfach mitnimmt und vielleicht nie zurückbringt. Ich hätte meinen Sohn wirklich gerne fragen wollen. Zumindest hatte er einen menschlichen Begleiter und würde sich deshalb in dieser fernen Erde der Zukunft nicht ganz so einsam fühlen.

Tatsächlich hätte es natürlich kaum eine Möglichkeit gegeben, ihm hier seine verlorene Gesundheit zurückzugeben und die Echse hatte behauptet, sie könne ihn vollständig wiederherstellen und er könne jederzeit zurückkehren, wenn er das wolle.

Trotzdem fühlte ich mich unwohl.

Mir war gesagt worden, ich solle innerhalb einer Woche einen Brief schreiben und ihn bereit halten und es war ein Termin abgemacht, wann die Echse kommen und den Brief vorbeibringen würde. Ich tat wie gesagt und erwartete ungeduldig den ersten Brief meines Sohnes, der dann kommen sollte. Als ich ihn dann las, war ich sehr erleichtert. Mein Sohn war aus unerfindlichen Gründen der Ansicht, er hätte der Reise zugestimmt, dabei war nichts, was er von sich gegeben hatte, verständlich gewesen, so daß ich nicht darauf vertraut hatte, daß er die Situation versteht. So wie er sie beschrieben hatte, war aber wohl das einzige was ihm daran unklar gewesen war, wie unverständlich das war, was er von sich gegeben hatte, gewesen war. Er hatte mit der Echse mitgehen wollen, weil ihm bewußt gewesen war, daß sie ihm helfen kann und will.

Wie sie das seiner Erklärung nach gemacht haben, war allerdings ein Ding. Sie haben nämlich irgendein Verfahren, mit dem sie einen Körper aus der Vergangenheit einfach verdoppeln können. Er war schon einmal dort in der Zukunft gewesen, wo diese Echse herkam und von dem Körper, den er damals gehabt hatte, hatten sie verdoppelt, so daß er jetzt einen gesunden Körper hatte, ohne eine langwierige Genesung durchstehen zu müssen. Allerdings würden ihm Erinnerungen an die Jahre zwischen seiner Rückkehr nach Preußen und dem Spießrutenlauf fehlen und ihm wäre alles eine Hilfe, was ihm einen Hinweis geben könnte, was in dieser Zeit geschehen sei.

Ich holte also seine alten Briefe und gab sie der Echse bei ihrem nächsten Besuch mit der Bitte mit, sie zurückzubringen, sobald sie nicht mehr gebraucht wurden, da ich sie gerne als Erinnerungsstücke an meinen Sohn wiederhaben würde.

Die Echse brachte sie gleich die nächste Woche wieder mit und ich fragte überrascht, ob sie denn nicht mehr gebraucht würden.
"Nein, wir haben uns eine Kopie davon gemacht, daher hat ihr Sohn jetzt ein Exemplar von jedem Brief und sie ebenfalls." antwortete die Echse.
Mich verwirrte diese Antwort, denn ich konnte mir nicht vorstellen, wie es geschafft hatten sollen, die ganzen Briefe in nur einer Woche abzuschreiben! Als ich nachfragte, wie das denn geht, erklärte mir die Echse, daß sie ein automatisches Verfahren hätten, das diese Briefe innerhalb einer Sekunde in allen Details verdoppeln könnte, so daß jeder Tintenklecks nachher auch in der Kopie vorhanden ist.
Ich schüttelte innerlich den Kopf. Ich wußte daß die Geräte haben, mit denen man Dinge machen kann, die uns wie ein Wunder erscheinen, aber wenn sie dann eines davon erwähnen, kann ich es doch jedesmal wieder nicht fassen und mir überhaupt nicht vorstellen, wie so etwas gehen soll.

Kersti

Fortsetzung:
F2459. Hans Hermanns Vater: W

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben