F2419.

Ich bin nicht der Typ, der tatenlos zusehen kann, wie jemand Kinder verprügelt

Vorgeschichte: F2407. Der Offizier: "Ich hatte einen kleinen Ringkampf mit dem König." antwortete er

Autor: Hans Hermann von Katte erzählt:
Ich bin nicht der Typ, der tatenlos zusehen kann, wie jemand Kinder verprügelt. Der Prinz hatte mich in den Palast eingeladen weil er mir seine vom Vater verbotene französische Literatur zeigen wollte. Anders ging das nicht, weil jeder noch so kleine Nebeneingang durch eben die Einheit bewacht war, zu der ich gehörte.

Als wir dann da saßen und uns unterhielten, stürmte der König mit seinem Spazierstock in der Luft herumwedelnd herein. Ich stellte mich ihm in den Weg, als er auf seinen Sohn zustürmte und als er dann damit auf mich losgehen wollte, fing ich den Stock in der Luft ab und erklärte ihm, daß die Verletzungsgefahr zu groß ist, wenn man völlig unbeherrscht mit einem solchen Stock auf ein Kind losgeht. Der König schien seinen Augen nicht zu trauen, als ich das tat. Ich erklärte ihm, daß er sich erst mal wieder selbst unter Kontrolle kriegen müsse, ehe er den Versuch unternimmt, ein Kind zu erziehen. So geht das jedenfalls nicht, denn sonst bringt er den Prinzen irgendwann noch um, indem er ihn an eine unglückliche Stelle trifft.

Der König wollte mich verprügeln. Wie er eigentlich schon bei früheren Gelegenheiten erkannt haben müßte, war er mir dabei so gründlich unterlegen, daß er keine ernstzunehmenden Erfolge erziehlte und schließlich aufgeben mußte.
"Was fällt ihnen ein, sich in die Erziehung meines Sohnes einzumischen!" fuhr er mich dann schließlich an.
"In die Dinge, die unter den Begriff 'Erziehung' fallen, mische ich mich nicht ein, wenn ich nicht wie im Bereich der Kampfausbildung direkt zu seiner Ausbildung beauftragt bin. Aber wer ein Kind erziehen will, muß sich zuerst einmal selbst unter Kontrolle haben und darf Strafen nur da anwenden, wo sie einen erzieherischem Zweck dienen. Wer seinen Frust über Dinge, die im eigenen Leben schief gehen an einem Kind ausläßt, ist zur Kindererziehung nicht befähigt." erklärte ich.
Der König, der immer noch von unserer körperlichen Auseinandersetzung außer Atem war, erklärte mir, daß ich schon sehen würde, was ich davon habe. Ich sagte ihm, er solle sich beruhigen, ich würde nun ehrlich nicht glauben, daß es seinem wahren Willen entsprechen würde, die Gesundheit seines Sohnes zu gefährden. Dann rannte er raus und ich sah mich nach dem kleinen Friedrich an und merkte, wie er mich bewundernd anstarrte.

Tatsächlich machte ich mir Sorgen. Jeder vernünftige Mensch wäre jedem dankbar, der ihn davon abhält, in einem Wutanfall sein eigenes Kind zu verletzen, aber der König hatte seinen Sohn schon das ein oder andere Mal so verletzt, wie man das niemals im Rahmen der Kindererziehung tun sollte. Ich glaubte ehrlich nicht, daß der König die Argumente zu einer vernünftigen Erziehung, die ich ihm da gerade auseinandergesetzt hatte, auch nur verstanden, geschweige denn eingesehen hatte! Jemand der nicht einmal als Familienvater taugt, ist ganz bestimmt nicht als Landesvater geeignet. Daß in Preußen nicht alles drunter und drüber ging, hatten wir, wie ich in Gesprächen mit meinem Vorgesetzten festgestellt hatte, vor allem der Tatsache zu verdanken, daß es einige Menschen im Umfeld des Königs gab, die um einiges vernünftiger waren als er und Gesetz und Ordnung im Land aufrecht erhielten.

Da mein Vater mir gesagt hatte, daß ich alle heiklen Dinge an meinen Vorgesetzten melden solle, weil der mich im Zweifelsfall beraten und schützen mußte, ging ich wieder einmal dorthin und meldete ihm, was passiert war.

Kersti

Fortsetzung:
F2401. Hans Hermann von Katte: Ich gewann den Prinzen für mich, indem ich mich benahm wie ein Lausbub

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben