erste Version: 7/2023
letzte Bearbeitung: 8/2023

Der verschwundene Flottenkommandant

F2491.

Aber sprechen, wie ich es mir immer vorgestellt hatte, tat mein Raumschiff nicht

Vorgeschichte: F2484. Tyros: Mir wurde bewußt, daß auf der Erde zwar jede Seele ein schwerkranker Invalide war, daß sie aber trotzdem lebten und liebten und einfach Menschen waren

Tyros erzählt:
Ich hatte mich darauf spezialisieren wollen, selber ein Schiff zu fliegen und das tat ich auch. Als Kind hatte ich immer gespielt, ich wäre Raumschiffpilot und würde mich mit meinem Raumschiff unterhalten und so hatte ich mir das auch immer vorgestellt. Als ich dann wirklich die nötigen Implantate erhalten hatte und zum Fliegen ausgebildet wurde, stellte ich fest, daß es ganz anders war. Ich konnte zwar deutlich spüren, daß mein kleines Raumschiff, das ungefähr so aussah, wie sich Menschen eine fliegende Untertasse vorstellen, ein Bewußtsein hatte und auch emotional auf mich reagierte. Ich konnte seine Liebe und seine Wünsche wahrnehmen. Aber sprechen, wie ich es mir immer vorgestellt hatte, tat es nicht. Im Nachhinein fragte ich mich, warum ich immer geglaubt hatte, das wäre so.

Ich galt als Copilot, aber natürlich waren alle so ausgebildet, daß sie das Schiff notfalls fliegen konnten, denn es wäre nun wirklich ein Unglück wenn Pilot und Copilot bewußtlos wären und man deshalb nicht vor einer Gefahr fliehen könnte! Genauso waren wir auch alle in Medizin so weit ausgebildet, wie notwendig, wenn der Arzt nicht gleich nebenan wohnt. Es kommt ja manchmal vor, daß eines von den kleinen Schiffen aus irgendeinem Grund nicht zum Mutterschiff zurückkehren kann. Außerdem gab es auch Notvorräte an Nahrungsmitteln auf unserem kleinen Schiff, falls etwas völlig Unerwartetes schief geht. Die anderen schienen all die Sicherheitsmaßnahmen und Mühen, die nicht gescheut wurden, um sicherzustellen, daß es der Besatzung auch in sehr unwahrscheinlichen Notfällen gut geht, selbstverständlich zu finden. Ich dachte mir regelmäßig, daß wir ja in einer sehr guten Gesellschaft leben, wenn das so ist. Wenn ich das aussprach, schienen meine Gefährten aber nicht zu wissen, warum ich das so bemerkenswert finde. Ein Stück weit wunderte ich mich über mich selbst, daß ich da so anders war als die anderen.

Das Schiff selbst war auf einem großen Mutterschiff stationiert, das uns zu den einzelnen Einsätzen bei fremden Sternen flog. Das kleine Schiff war zwar weltraumtauglich und tatsächlich auch in der Lage, in den Hyperraum auszuweichen, aber man hielt es für besser, das so zu machen, weil Menschen doch soziale Beziehungen brauchen. Auch das war anders als in meinen Kinderträumen, in denen ich die meiste Zeit allein im Weltraum gewesen war, während ich meine Aufträge erfüllte.

Auch wenn es nicht so war, wie ich mir vorgestellt hatte, war ich trotzdem glücklich mit meiner Aufgabe. In meinen Kinderträumen war ich immer allein mit meinem Schiff durch die Sterne geflogen. In Wirklichkeit war ich hier zuerst nur das jüngste Besatzungsmitglied in einer Besatzung von vier Menschen. Der eigentliche Kapitän war zehn Jahre älter als ich. Es gab außerdem eine Biologin und einen Sozialwissenschaftler im Team. Wir hatten eine gute und sehr herzliche Beziehung zueinander und hatten bei der Arbeit viel Spaß. Die anderen verstanden aber nicht wirklich, warum ich so viel Zeit mit lernen und arbeiten verbrachte, obwohl ich das nicht mußte. Klar, es machte mir einfach Spaß, aber ich war da auch ganz anders als die anderen Menschen die ich so kannte.

Eigentlich war ich ja der Ansicht, daß aufarbeiten wichtig ist und daß die berufsbegleitende Therapie eine absolute Norwendigkeit ist. Ich hatte den Eindruck, daß unser Pilot dringend das Erlebnis aufarbeiten mußte, wo sein damaliges Raumschiff abgeschossen worden war und alle Besatzungsmitglier außer ihm - der damals das jüngste Besatzungsmitglied gewesen war - umgekommen sind. Trotzdem war die Therapie der Teil meines Lebens, mit dem ich mich am wenigsten wohlfühlte. Der Therapeut war nämlich der Ansicht, ich müsse mir Gedanken machen, warum ich so bin, wie ich bin, weil ich mich selber kennen und verstehen müsse. Und ehrlich gesagt wollte ich nicht darüber nachdenken, warum ich so anders bin. Jedes mal, wen er darüber redete, bekam ich richtig schlechte Laune. Und genau das bestätgigte ihn in der Ansicht, daß da ein Thema hinter steckt, das ich dringend aufarbeiten muß. Ich fand, daß er mich damit in Ruhe lassen soll.

Kersti

Fortsetzung:
F2492. Tyros: Wir selbst wurden manövrierunfähig geschossen und dann gefangen genommen

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben