F1583.

Kaum war der Krieger im Palast angekommen, rief mich der Hauptmann der Palastwache an und fragte mich, was er mit dem Typ anfangen sollte, der wäre vor dem ersten Baum, an dem sie vorbeigekommen waren, stehengeblieben und hätte überhaupt nicht mehr weitergehen wollen

Vorgeschichte: F1582. Saman XZB12-123-77: Tanan ging mit mir an eine Stelle, die er Palastgarten nannte und da waren wieder die ganzen interessanten Sachen, die ich mir hatte ansehen wollen. Beispielsweise war da etwas riesiges, das wunderschön aussah
F1689. Diro von Karst: Toll jetzt ist ein zweijähriges Kind schon ein besserer Sicherheitschef als ich

Tanan LZB45-321-37 erzählt:
Kaum war der Krieger Saman XZB12-123-77 im Palast angekommen, rief mich der Hauptmann der Palastwache an und fragte mich, was er mit dem Typ anfangen sollte, der wäre vor dem ersten Baum, an dem sie vorbeigekommen waren, stehengeblieben und hätte überhaupt nicht mehr weitergehen wollen. Ich wunderte mich zwar, warum er ausgerechnet mich fragte, andererseits war ich darum auch ganz froh, denn wenn ich den offiziellen Auftrag hatte, mich um den Krieger zu kümmern, konnte ich mir auch die Zeit nehmen, die ich dafür brauchte. Ich erklärte ihm, daß die Krieger künstlich ahnungslos gehalten wurden und daß ich mich ein paar Tage um ihn kümmern würde und er solle sich keine Sorgen machen - in drei Tagen würde er den Krieger nicht wiedererkennen, weil er dann alles schon ein bißchen kennt. Er wollte mir das nicht glauben.

Ich nahm mir also etwas Arbeit mit, und zog los um den Krieger abzuholen. Als ich ankam, stellte ich amusiert fest, daß er völlig seelig mit einem von diesen Riesenkälbern schmuste, das bei der Palastwache als Wachhund durchging. Ich dachte mir, daß ich die beiden so schnell nicht getrennt kriege, daher fragte ich, ob ich den Hund mitnehmen kann, was mir der Hundeführer mit der Maßgabe erlaubte, ihn nicht von der Leine zu lassen. Ich machte dem Hund also die Leine um und befahl dem Krieger, die Leine zu nehmen. Er erklärte mir nachher, daß er das albern fand. Er müßte dem Hund doch nur sagen, was er tun soll, der wüßte doch, wie man sich benimmt. Er führte das auch gleich vor, indem er dem Hund einige Befehle gab, die er vielleicht ein mal gehört hatte. Ich schüttelte innerlich den Kopf. Ich fragte mich, wo er die Fähigkeit gefunden hatte, so souverän mit Hunden umzugehen, vor denen jeder normale Mensch erst einmal Angst hat. Auf Raumstationen lernt man so etwas jedenfalls nicht - zumindest so lange ich da gelebt habe, waren keine Haustiere erlaubt. Auf den Sternenschiffen und Schlachtfeldern, wo er den Rest seines Lebens verbracht hat, gibt es auch keine Hunde, da bin ich mir ziemlich sicher.

Dann öffnete ich die Tür zum Garten und er warf einen Blick auf die uralte Eiche, die direkt vor uns stand. Das war für ihn jedenfalls das Großartigste, was er je gesehen hatte und er fragte, ob man da drauf klettern kann. Ich fand es amusant, daß ein erwachsener Mensch auf einem Baum klettern will. Andererseits wurden wir nicht ganz so ahnungslos gehalten und zu unsrem Lehrplan gehörte zumindest ein wenig Allgemeinbildung, genug daß ich, als ich das erste mal einen echten Baum gesehen hatte, zumindest wußte, daß man ihn einen Baum nennt, auch wenn ich das nur von Bildern kannte. Andererseits bin ich auch nicht so der Hundenarrentyp, daher kann man das nicht vergleichen. Ich war immer noch völlig verblüfft, mit welcher Selbstverständlichkeit der Krieger mir hatte erklären können, wie der Hund denkt, obwohl er doch heute das erste mal einen Hund gesehen hat.

Ich behielt natürlich recht. Ich ging an diesen drei Tagen mit Erlaubnis des Königs sowohl in die Natur als auch mit den öffentlichen Nahverkehrsmitteln fahren und in Restaurants essen, damit er genug Dinge, die es auf Raumstationen nicht gibt, kennenlernt, um nicht wegen jeder Kleinigkeit völlig aus dem Häuschen zu sein. Der Zoo hat ihm nicht gefallen. Er fragte bei jedem einzelnen Käfig, warum dieses arme Tier in so einen kleinen Käfig gesperrt wurde. Ja weiß ich auch nicht. Ich sagte, daß er doch wüßte wie Freigeborene sind. Ich halte das für unsinnig und unnötig, ich fand aber, daß er genug verschiedene Tiere gesehen haben mußte, um nicht wegen jedem einzelnen so aus dem Häuschen zu sein, wie er war, als er plötzlich eine Fliege entdeckt hatte, deren im Sonnenlicht schillernde Flügel er unglaublich schön fand. Ich muß ehrlich sagen, ich habe mir nie eine Fliege so genau angesehen.

Nach diesen drei Tagen hatte er natürlich immer noch keine Ahnung von der Welt, aber sie war für ihn nicht mehr so neu, daß er alle naslang vor etwas stehenbleibt und fragt was denn DAS ist. Dafür hatte er es plötzlich mit den Bestimmungsbüchern im Lexikon, weil er dann nachträglich immer herausfinden wollte, was das wieder für ein Tier war. Nun, aber Bestimmungsbücher sind immerhin gesellschaftskompatibel. Na ja und in einem Jahr könnte er dann die Botanik- und Zoologie-Vorlesungen an der Uni halten, falls irgendjemand dann auf den Gedanken kommen würde, ihn danach zu fragen. Das wird nur keiner tun, weil die Freigeborenen in ihrer maßlosen Arroganz glauben, unsere Krieger währen dumm, obwohl Intelligenztestergebisse, die wir wohlweißlich in den entsprechenden Lexikonartikel eingetragen haben, beweisen, daß sie weitaus intelligenter sind als selbst die begabtesten Freigeborenen.

Kersti

Fortsetzung:
F1573. Tanan LZB45-321-37: Meine Befürchtungen bestätigten sich. Ich kam wieder in so einen Zustand, wo ich eine Zeit, die mir ewig vorkam, außer Schmerzen nichts anderes wahrnahm
F1690. Diro von Karst: Andererseits waren diese Krieger mir sowieso gruselig, seit ich sie das erste mal erlebt hatte

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben