Zuerst erschienen in Idee und Bewegung, Heft 51 (Heft 3/2000)
zuerst auf dieser Internetseite vor: 26.02.2001
letzte vollständige Überarbeitung: 2-3/2017
letzte Bearbeitung: 8/2017
V239.1
Einführung: Welche Rolle spielt die Sprache im menschlichen Denken?
V239.1
Einstein: Worte oder Sprache scheinen in meinem Denkmechanismus keine Rolle zu spielen
V239.2
Können Tiere sprachlich denken?
V239.2.1
Wenn Tiere die Kommunikation des Menschen völlig mißverstehen
V239.2.1
Der kluge Hans
V239.2.2
Nur soziale Tiere können ein Interesse an sprachlicher Kommunikation entwickeln - und ohne soziale Beziehungen mangelt es ihnen dabei an Motivation
V239.2.2
Graupapageien betrachten nur die Worte als lernenswert, deren Gebrauch sie live miterlebt hatten
V239.2.3
Gute Forschung zum Sprachverständnis ist lebenspraktisch
V239.2.3
Graupapageien bekamen in Irene Pepperbergs Büro eine Nuss, wenn sie eine Nuss verlangt haben
V239.2.3
Spazierengehen: reagiert der Hund auf Sprache oder auf die Kontextinformationen?
V239.2.4
Wenn Tiere durch ihr Verhalten zeigen, daß sie Worte verstehen
V239.2.4
Lästigerweise verstand der Hund auch die Dinge, die er nicht verstehen sollte
V239.2.5
Wenn Tiere menschliche Sprache sprechen
V239.2.5
Die Sprachfähigkeiten von Irene M. Pepperbergs Graupapageien
V239.2.6
Sprachähnliches bei Tieren
V239.2.7
Intensive Beobachtung des Alltagsverhaltens sind zum Verständnis des tierischen Denkens ebenso wichtig wie kontrollierte wissenschaftliche Studien
V239.2.8
Denken Tiere sprachlich?
V239.3
Der Mensch hat einen Sprachinstinkt
V239.3.1
Sprache ist weitgehend erlernt
V239.3.2
Prägung bei den Nestflüchtern unter den Vögeln als Beispiel für eine sensible Phase
V239.3.2
Katze als Entenmutter
V239.3.3
Menschen haben eine sensible Phase für das Sprechenlernen
V239.3.4
Gehirnbereiche für das Sprechen
V239.3.4
Wenn durch einen Gehirnschaden die Sprache ausfällt
V239.3.5
Die Bedeutung des Sprechens für das Gedächtnis und Infantile Amnesie
V239.3.5
Die magische Schrumpfmaschine
V239.4
Zusammenfassung
V239.4
Tiere können nicht denken, aber Menschen können nicht aufhören zu denken
V239.
Quellen
Es gibt aber auch Menschen, die eher in Bildern denken, so antwortete Einstein beispielsweise auf die Frage, wie er denkt:
Die Worte oder Sprache, ob nun schriftlich oder in gesprochener Form scheinen in meinem Denkmechanismus keine Rolle zu spielen. Die psychischen Komplexe, die anscheinend als Elemente des Denkens dienen, sind gewisse Zeichen oder mehr oder weniger deutliche Bilder... visueller und motorischer Art. Nach herkömmlichen Worten und anderen Zeichen muß erst im zweiten Stadium mühsam gesucht werden...39. S.70Damit, daß er nichtsprachlich denkt, ist er nicht der einzige.
Ich denke nicht in Bildern, denn obwohl in mein Denken durchaus Bilder, Graphiken und Konstruktionspläne eingebunden sind, genau wie das auch in diesem Text der Fall ist, ist es im Kern kein Denken in Bildern sondern es ist im Kern so abstrakt, wie sprachliches Denken, die Begriffe meiner Sprache sind wie in einem Mindmap durch verschiedene Linien mit Angaben zur Art des Zusammenhangs in einem mehr als dreidimensionalen Netz an zusammenhängen verbunden.
Ich wäre von mir aus auch im Traum nicht auf den Gedanken gekommen, daß man die Existenz einer abstrakten nichtsprachlichen Schicht an Gedanken in Zweifel ziehen könnte, denn ich denke normalerweise nichtsprachlich und abstrakt in vernetzten Strukturen, die ich Gedankenkristalle nenne.
V237.
Der Gedankenkristall
Für mich war die Vorstellung, man könne tatsächlich in Worten denken geradezu absurd, weil ich Worte für viel zu primitiv hielt, um sie zum Denken zu benutzen!
V238.
Welche Vorteile haben Gedankenkristalle
Offensichtlich hatte ich mich da geirrt.
Der kluge HansDer kluge Hans war ein Orlow-Traber, dessen Besitzer, der Schulmeister und Mathematiklehrer Wilhelm von Osten, glaubte, er hätte ihm zählen und rechnen beigebracht.Tatsächlich vollbrachte das Pferd erstaunliche Leistungen. Zunächst brachte Wilhelm von Osten seinem Pferd bei, verschiedene Richtungen wie unten oben, rechts und links anzuzeigen. Dann brachte er ihm bei, wenn er fünf Kegel auf den Tisch stellte fünf mal mit dem Huf zu klopfen. Danach zeigte er ihm Ziffern, deren Bedeutung er mit entsprechend vielen Hufschlägen anzeigen sollte. Auf dem obersten Bild, sollte er offensichtlich die Zahl 84 mit Hufschlägen angeben. Außerdem konnte er so die Ergebnisse von sehr unterschiedlichen Rechenaufgaben angeben, begonnen mit Addition und Substraktion bis hin zu Potenzen und Wurzeln ziehen. 26.
Der angesehene Zoologe und Afrikareisende Carl Georg Schillings (1865 - 1921) ließ im August 1904 auf dem sechsten internationalen Zoologenkongreß in Bern folgendes verlesen: Mathilde von Freytag-Loringhoven schildert in ihrer Beschreibung ihres Besuchs einer Vorführung auch ein Beispiel, in dem Wilhelm von Osten falsch gerechnet hatte, das Pferd aber trotzdem das richtige Ergebnis angegeben hatte.26.1 Obwohl sie kein Anzeichen erkennen konnten, daß der Hengst durch Winke des Besitzers gelenkt wurde oder im üblichen Sinne des Wortes darauf dressiert worden war, auf Winke des Besitzers zur rechten Zeit die rechten Antworten zu geben, waren trotzdem einige Verhaltensforscher überzeugt, daß das einfach eine Dressur sein müsse.28. Wilhelm von Osten, der seines eigenen Wissens nach die Methoden des normalen Schulunterrichts auf sein Pferd angewandt hatte und dem Tier keine absichtlichen Hinweise auf die Antworten gab, fühlte sich durch diese Unterstellung beleidigt und bot jedem an, daß Pferd kostenlos bei der Arbeit beobachten zu können.28., 26. Aufgrund des Medienrummels um das Pferd und weil auch der Kaiser sich dafür interessierte, wurde dreizehnköpfige interdisziplinäre Expertenkommission aus Hippologen, Zirkusdresseuren, Tierärzten, Zoologen, Sinnesphysiologen und Psychologen unter der Leitung von Carl Stumpf untersuchte vom 6.-12. September 1904 das Pferd und scheiterten an der Aufklärung des Phänomens.28. Trotzdem gab es immer noch Grund zum Zweifel, denn die Leistungen des Pferdes waren so unglaublich steigerbar, daß das Anlaß zum Zweifel an der Selbstständigkeit seines Denkens lieferte.28. Am 9. Dezember legte Oskar Pfungst ein Gutachten vor, nach dem der Hengst dann, wenn keiner der Anwesenden die Antwort auf eine Frage wußte, selber auch keine richtige Antwort geben konnte. Er bekam auch heraus auf welche unbewußt vom Puplikum gegebenen Zeichen das Pferd reagierte und konnte es auf diesem Wege dazu bewegen, willkürlich die von Pfungst gewählten falschen Antworten zu geben.28. Wilhelm von Osten glaubte das Ergebnis letztlich nicht und blieb überzeugt, daß sein Pferd rechnen kann. So dachten auch diverse andere gebildete Leute. Karl Krall (1868-1929) machte sogar in Elberfeld mit dem Klugen Hans, diversen weiteren Pferden, sowie zwei Eseln und einem Elefanten ähnliche Versuche mit ähnlichen Erfolgen. Ebenso wurden neben Pferden auch Hunde ähnlich trainiert und zeigten ähnliche Erfolge wie der kluge Hans.26., 28., 30. Bemerkenswert ist hierbei, daß Krall der Ansicht war, daß Pferde zehn mal so schnell lernen würden wie menschliche Schüler. Daneben brachte er den Pferden um Zeit zu sparen bei, für jede Stelle einer mehrstelligen Zahl den Huf zu wechseln, damit eine Zahl wie 365 mit 14 Klopfern dargestellt werden kann, statt 365 mal klopfen zu müssen.26. Der Mainstream der Wissenschaft war dagegen nicht der Ansicht, daß der Kluge Hans bei seiner Arbeit besondere Intelligenz gezeigt hätte, sondern machte den Begriff "Kluger Hans-Effekt" zu einem Begriff, der dafür stand, daß Tiere oft für klüger gehalten werden als sie sind.
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Den eigentlich interessanten Forschungsfragen, die sich hieraus ergeben, nämlich:
Der Kluge-Hans-Fehler tritt auch bei Menschen auf, wenn sie sprachlich nicht kommunizieren können.
VB191.4
Fremde Gedanken schreiben: Ein Gummiband am Finger reicht...
Wobei es beim Gestützten Schreiben so weit geht, daß die Unterstützer unbewußt selbst schreiben, wenn vom vermeintlich unterstützten Gesprächspartner absolut nichts kommt.
VB191.3
Gestütztes Schreiben: Wenn der Unterstützte nichts tut, schreiben die Unterstützer die richtigen Antworten
Es ist also klar so, daß man bei Experimenten zur Tierkommunikation nicht das Tier von Informationen über den Geisteszustand des Menschen trennen muß, sondern sicherstellen muß, daß der Experimentator sich nicht selbst in die Tasche lügt, indem er sich mit seinem eigenen Unterbewußtsein unterhält.
Der klügere Trick wäre, sicherszustellen daß der Experimentator nicht weiß, welche Aufgabe das Pferd rechnet. Das ist schließlich durchaus leicht zu erreichen, wenn er die Aufgabe so aus einer Gruppe an Karten verdeckt zieht und so aufstellt, daß nur das Pferd - das ja angeblich lesen können soll - sie sehen kann. Nachdem er die Antwort notiert hat, kann der Experimentator dann nachschauen, ob sie die Frage richtig beantwortet. Solche Versuche - Studien mit Verblindung - gibt es natürlich und auch und Oskar Pfungst hat genau mit diesem Trick herausgefunden, daß Hans die Aufgabenstellung eben nicht verstanden hat, während alle anderen Methoden versagt haben. Aber verbreiteter ist die Vorstellung, das eigentlich wesentliche wäre, Tier und Exeprimentator zu trennen.
Studien über Kommunikation ohne Kommunikationspartner machen zu wollen, ist aber absurd, denn gerade diejenigen sozialen Tiere, die eine gute Veranlagung für so etwas haben, haben natürlich nicht besonders viel Motivation, Sprache ohne Kommunikationspartner anwenden zu wollen, weil es ihnen eben genau um soziale Kontakte geht, wenn sie sprechen!
Graupapageien betrachten nur die Worte als lernenswert, deren Gebrauch sie live miterlebt hatten
Bei einer Gruppe von Versuchen Irene M. Pepperberg verschiedenste Experimente mit den Graupapageien (Psittacus erithacus) Kyaaro und Alo gab es drei Typen von Lehrsitzungen. Der erste Typ "live tutoring" wurde mit zwei Menschen und dem jeweiligen Papagei (Kyaaro oder Alo) durchgeführt. Verwendet wurden Spielzeuge, die der Papagei kannte und sich in vorherigen Sitzungen genommen und verwendet hatte (beispielsweise zur Gefiederflege). Zunächst wurden die Aufgaben, die später der Papagei durchführen sollte an einen Menschen gestellt und er wurde auf dieselbe Weise nach Material, Art des Spielzeugs und Farbe gefragt, sowie korrigiert, wie später der Papagei gefragt und korrigiert wurde. Wenn er keine korrekten Antwortwen gab, wurde der Gegenstand, um den es ging, außer Sicht gebracht und der Gesprächspartner wurde gescholten. Bei unklarem Sprechen bekam er zu hören "speak clearly" ("sprich deutlich"). Wenn der Schüler unaufmerksam ist, droht der Trainer den Raum zu verlassen, was die Vögel in vergleichbaren Sitzungen aufregt und von ihnen mit Protesten wie "come here ("komm her") oder "want tickle" ("möchte gekitzelt werden") beantworten, also für sie eine wirksame Drohung ist. Später wechselten die beiden Menschen die Rollen und schließlich wurde dasselbe mit dem Papagei als Schüler geübt. Belohnungen waren entweder die verwendeten Gegenstände - wenn der Papagei ein Spielzeug oder das verwendete Futter richtig benannte, bekam er genau das zur Belohnung gereicht, um einen möglichst engen Bezug zwischen Übung und Belohnung zu schaffen. In den Videoaufnahmen wurde Vögeln in einem leeren Raum Videoaufnahmen von solchen Lehrsitzungen - die wie bei realen Lehrsitzungen auch Irrtümer und soziale Interaktionen wie Gefiederpflege enthielten - mit einem anderen Graupapagei gezeigt. Auch die Tonbandaufnahmen handelten von solchen Interaktionen mit einem Graupapagei, waren aber eben nur Tonbandaufnahmen, denen damit nahezu alle Kontextinformationen fehlten.11..Wenn die Graupapageien Sprache nur von Band- oder Filmaufnahmen lernen sollten, lernten sie kein Sprachverständnis. Obwohl die Videoaufnahmen der Vögel zeigten, daß sie offensichtlich zuhörten und zusahen als ihnen die Tonbänder und Videoaufnahmen vorgeführt wurden. Dennoch lernte keiner der beiden so trainierten Papageien eines der in den Videositzungen verwendeten Wörter sinnvoll anzuwenden. Einer der beiden Papageien sprach einige der im Videofilm vorgeführten Wörter zwar gelegentlich nach, verwendete aber keines der Wörter bei Testfragen jemals überhaupt, stattdessen wurden oft beim Life-Tutoring gelernte Wörter benutzt. Beim Life-Tutoring gelernte Wörter wurden dagegen in 85-87,5% der jeweils 40 durchgeführten Testungen richtig angewendet, die restlichen Antworten waren unverständlich. Interessant ist, daß Kyaaro, der viele Eigenschaften aufwies, wegen denen man bei Menschen ADHS diagnostizieren würde und derselbe war, dar die Worte aus den Videoaufnahmen zumindestens sprechen gelernt hatte, auch wenn er sie in Testsituationen nicht anwendete11..
Insgesamt betrachteten die Papageien also nur die Worte als lernenswert und für den Umgang mit ihren menschlichen Bezugspersonen relevant, deren Gebrauch sie live miterlebt hatten. Worte, die sie nur aus Filmen oder Tonbändern kannten, wendeten sie in der Kommunikation mit ihren menschlichen Gesprächspartnern nicht an.
Dann entsteht ein ähnlicher Effekt, wie er entstand, als man ausprobierte, was passiert, wenn bei der Gestützten Kommunikation nichts von der Person kommt, die angeblich unterstützt werden sollte:
VB191.3
Gestütztes Schreiben: Wenn der Unterstützte nichts tut, schreiben die Unterstützer die richtigen Antworten
Der Experimentator redet dann nicht mit dem Tier sondern letztlich mit einem unbewußten Teil von sich selbst.
Dieses Problem kann nicht auftreten, wenn das Tier lernt, seine eigenen konkreten Wünsche über Worte zu befriedigen, weil das Tier nur dann bekommt, was es will, wenn es sagt, was es will. Wenn das nicht klappt, wird es Zeichen von Frustration zeigen. Wenn es klappt, werden die nonverbalen Signale den verbalen parallel gehen, so daß man sehen kann, daß das Tier meint, was es sagt.
Wenn es um lebenspraktische Dinge geht, kann sich der Beobachter zwar darin irren, ob sein Tier auf die Worte oder auf die Gesten reagiert, aber nicht darin, ob es überhaupt verstanden hat, worum es geht. Und auch ob er es mit Sprachverständnis oder Interpretationen von Kontextinformationen zu tun hat, kann ein guter Beobachter durchaus in einigen Situationen klar unterscheiden.Graupapageien bekamen in Irene Pepperbergs Büro eine Nuss, wenn sie eine Nuss verlangt haben
Die Graupapageien bekamen in Irene Pepperbergs Büro eine Nuss, wenn sie eine Nuss verlangt haben, wurden auf den Arm genommen, wenn sie gesagt haben, daß sie auf den Arm genommen werden wollten und gekrault, wenn sie gesagt haben, daß sie gekrault werden wollten - und das im Büroalltag, ohne daß ihnen irgendjemand gesagt hat, daß sie reden sollten. Sie bekamen nur das, was sie wollten, wenn sie gesagt haben, was sie wollten, also konnten sie nicht das Richtige tun, ohne zu verstehen, was sie tun. Außerdem haben sie empört protestiert, wenn die Studenten und Forscher dann etwas anderes gemacht haben, als das, was der Papagei ihnen gesagt hat. Bei diesen Protesten war erkennbar, daß ihr nonverbales Verhalten zu den verwendeten Worten paßte.10.-15., 22.
Beispielgeschichte, Kersti:Gute Forschung zum Sprachverständnis von Tieren schafft künstlich Situationen, in denen sich diese Unterscheidung gut treffen läßt.Spazierengehen: reagiert der Hund auf Sprache oder auf die Kontextinformationen?
Wenn ich meinen Hund gefragt habe, ob er spazieren gehen will, bekam er einen Spaziergang, wenn er weiterhin begeistert vor der Tür herumhüpft und keinen, wenn er sich in der Küche verkrochen hat. Jedenfalls konnte kein Zweifel bestehen, daß er wußte, daß es um Spaziergänge geht. Daß er die Worte Spazierengehen, Fahrradfahren und Einkaufen richtig verstanden hat, war dagegen nur am Zeitpunkt seiner Antwort abzulesen. Die endgültige Antwort kam nämlich genau dann, wenn ich durch eines der drei Worte meine genaue Absicht benannt hatte. Vorher hat er sich verhalten, als ginge es zum spazierengehen, auch wenn er gesehen hat, daß ich mir die Einkaufstasche einstecke und er hat nicht erst reagiert wenn ich beispielsweise zum Fahrrad gehe. Spazierengehen war die beim Hund beliebteste und wahrscheinlichste Variante, wenn ich mit der Leine zur Tür gehe. Wenn er nichts davon wollte, kam er gleich gar nicht zur Tür.Insgesamt ist es sehr unwahrscheinlich, daß ich gerade bei dem Satz "Widu kommst du mit, spazierengehen/einkaufen/Fahrradfahren" ausgerechnet dann, wenn ich das letzte Wort ausspreche, einen so eindeutigen nonverbalen Hinweis gebe, daß man seine Reaktion genau auf das letzte Wort mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf Sprachverständnis zurückführen muß. Auch ob ich seine Antwort respektiere, hängt nicht davon ab, ob er die Antwort direkt bei diesem Wort gibt - es wird ebenso respektiert, wenn er nachher sieht, daß es draußen ja regnet und dann doch nicht will und wenn er vorher erst gar nicht an die Tür kommt.
Ein weiterer Punkt ist: ein Tier, das durch lebenspraktische sprachliche Kommunikation gelernt hat, daß Sprache bei Menschen ein Verständigungsmittel ist, wird anders als der kluge Hans Sprache nicht mehr ignorieren, um andere unwesentliche Dinge für das zu halten, was erwartet wird.
Beispielgeschichte, Kersti:Kurz gesagt hatte ich die Art Hund, die einem den Eindruck vermittelt, er würde jedes Wort verstehen, das mit seinem lebenspraktischen Alltag zu tun hat, inklusive der emotionalen Unterschwingungen.Lästigerweise verstand der Hund auch die Dinge, die er nicht verstehen sollte
Als ich meinen kleinen Dackel bekam, verwendete ich von Anfang an sehr viel Sorgfalt darauf, ihm möglichst viel Sprache beizubringen. Er war damals nur acht Wochen alt, daher mußte man darauf achten, nur sehr kurz mit ihm zu üben, damit er sich nicht überfordert fühlte. Schließlich sollte er auch Spaß an all dem haben, was ich mit ihm so machte.Innerhalb der ersten 14 Tage hatte er alle wesentlichen Befehle gelernt und ich begann dann, ihm beizubringen, daß die Befehle manchmal in ganze Sätze eingebaut sind und daß man die wichtigen Wörter an der Betonung erkennt, indem ich jeweils einen kurzen Satz aus drei oder vier Worten sagte und die Befehle, die der Hund bereits kannte übertrieben stark lauter aussprach. Nach kurzer Zeit wußte der Hund, wie diese Sätze zu verstehen waren und gehorchte, wenn ich in ganzen Sätzen mit ihm sprach, genauso zuverlässig oder unzuverlässig, als würde ich die Befehle einzeln benutzen. Außerdem brachte ich ihm systematisch bei, welche verschiedenen Worte es für eine Anweisung gab, wenn er kommen sollte, brachte ich ihm dafür als die Worte hierher, komm her, komm, sowie Gesten und Zungenschnalzen bei, so daß er alles verstehen würde, was ein Mensch zu ihm sagen könnte, wenn er will, daß der Hund zu ihm kommt. Nach knapp einem Jahr zählte ich die unterschiedlichen Befehle, die er kannte und kam auf hundert verschiedene Anweisungen, für die er meist mehrere Wörter oder Gesten gelernt hatte.
Sehr eingeschränkt war es sogar möglich, ihm etwas neues sprachlich zu erklären,
VA11.2 Widu such Ostereier!
wenn man ihm Fragen stellte, beantwortete er sie unmißverständlich über sein Verhalten
VA11.1 Widu kommst du mit?
und lästigerweise verstand er auch die Dinge, die er nicht verstehen sollte.
VA11.4 Bald ist uns nichts mehr eingefallen, wie wir das noch nennen können, damit der Hund nicht merkt, daß wir über Spaziergänge reden
Umgekehrt nahm er es aber besonders positiv auf, wenn ich die Körpersprache von Hunden nachahmte
VA149. Kersti spricht Hundisch, also kann nur ich gemeint sein
Im Großen und Ganzen verstand er Menschen gut genug, daß man ihn nicht an die Leine nehmen mußte und sich trotzdem darauf verlassen konnte, daß er nichts Dummes tat. Er ging auf dem Bürgersteig, auch wenn ich mit dem Fahrrad auf der Straße fuhr, guckte bevor er über die Straße ging, fing als er erwachsen war, keinen Streit mehr mit anderen Hunden an und wußte selbst, daß ich, wenn ich mich in der freien Natur zum meditieren hinsetze, ungestört sein will. Er war dann nicht zu sehen und nicht zu hören, bis ich aufstand um weiterzugehen.
Man hatte den Eindruck, daß er manche Dinge einfach deshalb machte oder mitmachte, weil er sie lustig fand.
VA144.1 Widu, töte, töte!
VA11.2 Ein echter Baum gehört markiert!
Was allerdings nicht hieß, daß er für alles Verständnis hatte
VA90. "Werft gefälligst nicht euren Abfall auf Kerstis Sachen, knurr!"
und er versuchte durchaus sehr geschickt seine eigenen Interessen durchzusetzen.
VA158. Du mußt dich gegen den Hund durchsetzen, Junge
VA144.1 Frechheit siegt!
Bei Hunden hat man manchmal durchaus den Eindruck, daß sie neidisch sind, weil Menschen sprechen können.
VA149.
Die bellt - dabei kann sie sprechen! Dieser Mensch muß verrückt sein!
Damit war er natürlich zusammen mit Blindenhunden und Polizeihunden, die eine sorgfältige und gründliche Ausbildung genossen haben, an einem Ende des Spektrums. Bei solchen Hunden ist auch klar, daß sie Worte wirklich verstehen lernen und nicht ausschließlich Gestik und Mimik interpretieren2. S.391ff. Am anderen Ende des Spektrums steht die Sorte Hund, die kein Wort versteht und auch nicht begriffen hat, daß Worte überhaupt eine Bedeutung haben.
VA11.4
Der Hund der kein Wort versteht
Eine solche Erziehung macht Hunde totunglücklich, weil sie dann mit den Menschen, mit denen sie zusammenleben, noch weniger verständigen können, als Wölfe untereinander.
VA149.
Wer Hundisch gelernt hat, ist vielleicht ein anständiger Mensch
VA149.
Endlich mal jemand, der mich versteht!
Einen Hund als Heimtier zu halten ohne ihm beizubringen, was Sprache ist, ist Tierquälerei.
Trotzdem fragt man sich natürlich: Wie viel versteht ein solches Tier, wirklich?
VA11.
Wieviel Sprache versteht ein Hund?
Um mehr über das Sprachverständnis von Tieren herauszufinden, scheint es wünschenswert zu sein, daß diese Tiere selber sprechen lernen.
Da man sie wegen ihrer Ähnlichkeit zum Menschen für die intelligentesten Tiere hielt, wurde dieser Versuch in der Verhaltensforschung zuerst mit Menschenaffen gemacht. Die ersten solchen Versuche scheiterten, weil die Schimpansen, mit denen diese Versuche gemacht wurden, nicht in der Lage waren, die Laute der Sprache nachzuahmen. Als man den Tieren - meist Schimpansen aber auch Urang Utans und Gorillas - von klein auf die Zeichensprache der Taubstummen beibrachte, lernten viele von ihnen über hundert Worte sinngemaß richtig einzusetzen und bildeten auch neue Wortkombinationen.4. S.58f; 5. S.245ff Sie lernten jedoch nicht, komplexere grammatikalische Strukturen aufzubauen, sondern blieben auf einer Stufe der Sprachentwicklung stehen, die der Zwei-Wort-Phase von menschlichen Kleinkindern entspricht5. S.248ff; 6. S.202f; 7. S.281ff.
Vögel hielt man für weniger intelligent, weil bei ihnen kein hoch entwickeltes Großhirn vorhanden ist, sondern Teile des Gehirns, die man lange als primitiv ansah, den meisten Raum im Vogelhirn einnehmen. Ab den 1960ger Jahren fand man nach und nach heraus, daß die Funktion, die bei Säugetieren und Menschen das Großhirn hat, bei Vögeln durch die als primitiv mißverstandenen Gehirnbereiche ausgeführt wurden und daß das Vogelhirn durchaus zu vergleichbaren Intelligenzleistungen fähig war, wie das Gehirn der Säugetiere.8. Das war einer der Gründe, weshalb man lange annahm, daß Papageien Worte nur nachahmen, ohne sie wirklich zu verstehen.
Insgesamt kann man sagen, daß Tiere nach intensivem Training menschliche Sprache bis zu einem gewissen Grad verstehen und wenn sie geeignete Ausdrucksmöglichkeiten haben, auch aktiv verwenden können, daß ihnen aber die komplexeren Teile der Grammatik verschlossen bleiben und daß keines der bisher untersuchten Tiere menschliche Sprache ohne gezielten Unterricht gelernt hat.Die Sprachfähigkeiten von Irene M. Pepperbergs Graupapageien
Über Jahrzehnte machte Irene M. Pepperberg verschiedenste Experimente mit dem Graupapagei (Psittacus erithacus) Alex9., 10., 12. und später noch zusätzlich weiteren Graupapageien, nämlich das Weibchen Alo11., 15., und das Männchen Kyaaro11., 15.. Die Papageien durften sich bei Anwesenheit der Trainer (8 Stunden pro Tag) im gesamten Laboratorium aufhalten und erhielten, wenn sie danach fragten, Obst, verschiedene Nüsse und verschiedene Spielzeuge. Sie wurden außerhalb der Arbeitszeiten in einen Käfig gesperrt, in dem Wasser und eine Standartfuttermischung für Papageien ständig zur Verfügung stand.Sie untersuchte, inwieweit Graupapageien Sprache wirklich verstehen. Sie konnten zuerst dem Graupapagei Alex beibringen, die Form, die Farbe und das Material von Gegenständen richtig zu benennen und Gegenstände zu verlangen, die er haben wollte. Gaben die Trainer dem Tier dann den falschen Gegenstand protestierte es mit einem lauten "No!" (englisch für "Nein")9.. Sie können auch Zahlen benennen, zählen und addieren lernen und dabei ein Konzept für die Zahl 0 entwickeln10.. Der Papagei lernte auch, die Fragen "What's same?" (Was ist gleich) or "What's different?" (Was ist verschieden) richtig mit "color" (Farbe), "shape" (Form) oder "mah-mah" (vereinfacht für "matter", "Material") zu beantworten. Dabei antwortete er bei unvertrauten Gegenständen in 82.3%-85% der Fälle richtig, bei vertrauten Gegenständen aber nur in 69.7%-76.6% der Fälle9.. Darüber hinaus lernten die Papageien soziale Kontakte und diverse andere Wünsche von ihren Trainern mit den passenden Sätzen oder Worten einzufordern. So forderte Alex auch die anderen Papageien auf, deutlich zu sprechen und forderte gekrault zu werden und Ähnliches. Während die Papageien durchaus verstehen, daß bei Sätzen wie "I want X" (Ich will X) und "I wanna go Y" (Ich will nach Y gehen) an der Stelle für X und Y unterschiedliche Gegenstände oder Sitzplätze stehen können, haben die untersuchten Graupapageien nie Sätze mit komplexeren grammatikalischen Strukturen oder Nebensätzen gebildet. Bei einem Versuch, Alex lesen beizubringen, war zwar klar, daß er zu oft richtig antwortete, so daß das kein reiner Zufall sein konnte, aber er lernte es trotz längerem Training nicht gut genug, um mehr als die Hälfte der geschriebenen Buchstabenkombinationen richtig zu lesen12..
Die Graupapageien waren sich also bewußt daß Worte aus unterschiedlichen Lauten bestehen und Sätze aus mehreren Worten, sie bildeten aber nur einfache Sätze ohne Nebensätze12..
In ihrem Buch " Alex und ich." schildert Irene Pepperberg eher die persönlichen Anekdoten im Forschungsalltag als die wissenschaftliche Forschung an sich. Dabei wird deutlicher, wie kompetent der Papagei seine sprachlichen Fähigkeiten im Alltag nutzt und wie seine Persönlichkeit beschaffen ist. So scheucht er neu angekommene Studenten durch die Gegend und läßt sich von ihnen bedienen und durch das Labor tragen, einerseits um seine Wünsche erfüllt zu bekommen, andererseits auch um seine soziale Stellung als Laborchef zu unterstreichen. Er lernte einige Worte auch spontan, indem er sie nebenher im Laboralltag mithörte und dann an geeigneter Stelle anwendete. So hat er sich von Menschen abgeschaut, daß man sich entschuldigt und das immer wieder an geeigneter Stelle angewandt, um Pepperberg zu besänftigen - manchmal nachdem er sie vorher absichtlich geärgert oder geneckt hatte. Die Autorin bestätigt auch meinen Verdacht, daß dem Papagei die Versuche wohl manchmal gelangweilt haben müssen, den ich aus der Nebenbemerkung schloß, daß er unbekannte Aufgabenstellungen fehlerfreier bewältigte als bekannte.22.
Ähnlich extreme Ergebnisse gab es auch bei der Forschung zum Gestützten Schreiben bei Menschen.
VB191.
Gestützte Kommunikation bei Menschen, die nicht sprechen können: wer ist der Urheber der Worte?
Beispielgeschichte, Kersti:Wann immer die Forscher auch das Alltagsverhalten des betreffenden Tieres und alle seine Versuche, seine Wünsche auch mit den ihm von seinen Instinkten mitgegebenen Mitteln mitzuteilen, neben den kontrollierten Versuchen mit berücksichtigen, kommen sie automatisch zu Ergebnissen die zwischen diesen beiden Extremen liegen und dem nahekommen, was ein aufmerksamer Hundehalter, der sich intensiv damit beschäftigt, seinem Tier das ein oder andere beizubringen, ebenfalls als richtig annehmen würde.Unterschiedlichkeit der Informationsquellen: Das Buch über den Alltag brachte mehr als das wissenschaftliche
Im Internet fand ich die Artikel zu Irene Pepperbergs Graupapageien9.-15.. Darauf schrieb ich nach und nach Abschnitte zum Sprachverständnis besagter Papageien für diesen Text. Während ich die Artikel las, entstand eine sich ständig verlängernde Liste an Fragen zu Pepperbergs Forschung in meinem Kopf, für die ich die Papageien am liebsten selbst gesehen hätte, um eine Antwort zu finden. Wenn Alex nebenan gewohnt hätte, hätte ich das zweiffellos gemacht, aber Amerika war mir da doch etwas zu weit weg.Das weckte in mir den Wunsch die Bücher22., 32., die Irene Pepperberg zu ihren Papageien geschrieben hatte zu lesen, so daß ich sie bestellte.
Zuerst kam " Alex und ich.". In diesem Buch wird vor allem das Alltagsleben des Papageis und seiner Besitzerin beschrieben. Der Forschungsalltag, aber auch die Besuche des Papageis im Haus von Irene Pepperberg, wo er eine Schleiereule gesehen hat und daraufhin sagte, er hätte Angst und er wolle zurück ins Labor. Es wird beschrieben, wie Alex gekauft wurde - eine unglückliche Erfahrung, da die Forscherin sich zu wenig Gedanken gemacht hatte, was der Kauf eines Papageis und ein stundenlanger Transport für ein solches Tier bedeutet. Beim Kauf der anderen Papageien und den späteren Umzügen hat sie dann darauf geachtet, daß die Tiere beim Transport in ihrem gewohnten Käfig waren und daß jemand bei ihnen war, der sich darum kümmert, daß sie ihr Umfeld sehen konnten, wenn sie wollten oder eben nicht, wenn ihnen das besser tat.
Das Buch beantwortete genau die kritischen Fragen, die ich mir dazu gestellt hatte, ob der Papagei wirklich alles verstanden hatte, was die Forscherin behauptet hatte oder ob es für die Versuchsergebnisse nicht andere Erklärungen gab. Das tat es praktisch immer in die Richtung, daß die Forscherin recht hatte, auch wenn die wissenschaftlichen Artikel andere Interpretationen der dort beschriebenen Beobachtungen zugelassen hätten.
Danach kam " The Alex Studies". Das Buch lieferte zwar ein paar zusätzliche Fakten zu der durchgeführten Forschung änderte aber nichts Wesentliches an meiner bisherigen Sicht des Tieres. Es war einfach nur mehr von demselben, was ich vorher schon von der Autorin gelesen habe.
Das wissenschaftlich ausgerichtete Buch hatte sich wissenschaftlich wesentlich weit weniger gelohnt als das nichtwissenschaftliche Buch, das Anekdoten einer geschulten wissenschaftlichen Beobachterin - nämlich Irene Pepperberg - aus dem Lebens- und Forschungsalltag mit ihrem Papagei enthielt.
Andererseits ist aber auch bekannt, daß viele Menschen das Verhalten ihrer eigenen Tiere völlig und nachweisbar falsch interpretieren.
Offensichtlich reichen kontrollierte Versuche allein nicht aus, um so etwas komplexes wie das Verhalten eines sozialen Säugetieres oder Vogels ausreichend vollständig zu analysieren, daß grobe Interpretationsfehler ausgeschlossen sind. Alltagsbeobachtungen ohne Experimente zum prüfen bestimmter Thesen auch nicht.
Um zu einem sinnvollen Gesamtbild zu kommen, das solche extremen Fehler ausschließt, muß man alle vorhandenen Informationsquellen kombinieren.
Als Drittes sollte man sich bei Experimenten gleich welcher Art auch mal Gedanken machen, ob das, was man tut, zumutbar ist und weder Menschen noch Tieren etwas antun, was so schlimm ist wie das, was ein gewisser Pjotr Anochin (1898-1974)40. den siamesischen Zwillingen Mascha und Dascha (1950-2003)41. angetan hat.42., S.21ff.
O11.1.3.3
Mascha und Dascha: "Aber was die Experimente angeht, ist alles wie ausgelöscht"
Bei der Frage oben geht es mir aber nicht darum, ob diese Tiere gelegentlich ein Wort in ihre Gedanken einstreuen, während das grundlegende Denken möglicherweise funktioniert, indem man die Dinge, über die man nachdenkt, bildlich vor dem inneren Auge hin und herschiebt. Es geht darum, ob man Gedanken, bei denen es nicht darum geht, ob man jetzt diesesn Satz an dieser Stelle sagt, sprachlich formuliert, wie wenn ein Mensch eine Geschichte erzählt oder ein Gedicht schreibt.
Um das tun zu können, müßten die jeweiligen Tiere in der Lage sein, verschiedene Sätze inhaltlich aufeinander zu beziehen, so daß sich eine ganze Geschichte rein sprachlich erzählen läßt. Darauf, daß sie das tun, gibt es jedoch bisher keinen Hinweis. Dazu fehlen auch den Graupapageiene Irene Pepperbergs schon die nötigen sprachlichen Fähigkeiten.
VA169.2.5.3
Das Sprachverständnis der Tiere ist nicht gut genug, zur Produktion sprachlicher Träume
Tiere denken also nicht sprachlich, selbst wenn sie sich sprachlich verständigen. Wenn man sprachliches Denken fälschlicherweise für die einzig mögliche Art des Denkens hält, ist also die Aussage daß Tiere nicht "denken" können richtig. Tatsächlich umfaßt aber denken natürlich auch ein Denken in bildlichen Vorstellungen und auch vernetztes Denken. Das Wort denken umfaßt also nicht nur sprachliches Denken sondern jede Art von geistiger Repräsentation, mit der man planen und geistige Konzepte hinterfragen kann und das können Tiere wie unsere Hunde, Menschenaffen oder Graupapageien durchaus.
Daß unsere Sprache nicht direkt durch unsere Instinkte erschaffen wird, sondern daß sie sehr weitgehend erlernt ist, ist natürlich eine Binsenweisheit. Das kann gar nicht anders sein, wenn jede Sprache andere Wörter und eine einzigartige Grammatik hat. Wie extrem unterschiedlich Sprachen sein können, kann man beispielsweise in Heidrun Pelzs " Lingusitik. Eine Einführung." nachlesen. Dieselben Zusammenhänge, die in der einen Sprache durch die Reihenfolge der Worte ausgedrückt werden, werden in einer anderen Sprache durch Vor- oder Nachsilben ausgedrückt. In manchen Sprachen hat die Melodie der einzelnen Silbe eine bedeutungsunterscheidende Funktion, in anderen ist sie völlig irrelevant. Und in der Gestensprache der Tauben zeigt, können Menschen auch Sprachen, die nicht aus Tönen sondern aus Gesten bestehen, als Sprachen erkennen und erlernen.
Dagegen ist eindeutig nachgewiesen, daß wir Menschen sowohl körperliche Anpassungen als auch Instinkte, die dem Sprechenlernen dienen, haben.
Die Nestflüchter unter den jungen Vögeln laufen von Geburt an hinter ihrer jeweiligen Mutter her und hören auf ihre Warnrufe. Daher könnte man annehmen, daß jungen Nestflüchtern das Aussehen ihrer Mutter angeboren sei. Daß dem nicht so ist, zeigen Geschichten wie die folgende, in der die jungen Enten der Ansicht waren, die Katze und nicht das Huhn, das sie ausgebrütet hatte, wäre ihre Mutter. Darauf, daß eventuell eine Ente die Mutter sein könnte, kamen sie schon gar nicht.
In einer alten Zeitschrift fand sich folgender Artikel
Die Gartenlaube, Heft 40, S. 665–666Wie man aus dem Verhalten der Katze und der Küken sehen konnte, paßten die instinktiven Verhaltensweisen nicht genau zueinander und beide Tiere haben auf die Unterschiede mit Irritation und Korrektionsversuchen reagiert. Beispielsweise erwarten Entenküken, daß sie nach dem Schlüpfen zum Wasser geführt werden. Sie gingen also ins Wasser als sie unterwegs welches sahen - und die Katze hielt das für gänzlich falsch, denn kleine Katzen gehören nicht ins Wasser sondern in ein sicheres Versteck.Katze als Entenmutter
Das liebliche Naturwunder, das wir in unserem heutigen Bilde mittheilen, hat sich in der Ebenrettersmühle bei Hildburgshausen zugetragen und ist von vielen Personen mit Wohlgefallen beobachtet worden. Wir erzählen diesem neue Stückchen Naturgeschichte nach Briefen, denen wir ziemlich wörtlich folgen.Eine Henne brütete Enteneier aus. Man nahm die ausgebrüteten kleinen Enten nach und nach hinweg, damit die Henne den übrigen Eiern besser aufsitzen könne, legte sie in einen Korb, bedeckte sie mit einem Tuche und stellte sie in die Kochstube unter den großen Herd. Hier verkehren in Eintracht die Dachshündin Waldmann und drei Katzen. Zwei von den letzteren kamen so jung in diese Gesellschaft, daß sie an den Zitzen Waldmann’s noch saugen wollten, und die gutmüthige Hündin legte sich auch dazu zurecht und hielt still, bis sie die Krallen der Katzen sah und spürte und das Mutterspielen aufgab. Die dritte Katze, die Liese, hat einen selbstständigen Charakter, achtet zwar den Frieden, läßt sich aber nichts gefallen. Sie ist die Heldin unserer Geschichte.
Katze als Entenmutter.
Originalzeichnung von Friedrich Specht. 18.1Der kleinen Enten wegen entfernte man die Katzen aus der Kochstube. Aber Liese huschte, sobald die Thür wieder aufging, hinein und unter den Herd, setzte sich neben den Korb, horchte mit gerade in die Höhe stehendem, also gespanntem Ohre auf die Stimmen unter dem Tuche und stellte sich, als sich’s gar drunter regte, wie zum Mausfange bereit. Da hob die Hausherrin, immer die Hand zum Schlage auf die Katze bereit, das Tuch vom Korbe und ließ ein Entchen um das andere herauswatscheln. Liese beroch sie, fing an sie zu belecken und ließ sich geduldig die Beschnäbelung ihres Gesichtes durch die unbeholfenen kleinen Dinger gefallen. Als aber gar die Enten sich zwischen ihre Vorderbeine hineindrängten, als ob sie „unterkriechen“ wollten, siehe, da legte Liese sich auf die Seite, hob das hintere Bein in die Höhe und drehte sich nach und nach so auf den Rücken, daß alle elf Enten an und auf ihr Platz fanden und als ein Häufchen da hockten und ihre Schnäbel in den Pelz der Katze steckten, welche die freie Vorderpfote sanft über sie legte.
So lag die malerische Gruppe da und hielt Schlummerruhe, bis das Jungvolk wieder erwachte und nach Wasser und Futter suchte. In diesem Augenblicke kam Waldmannn herbei, offenbar im Gefühle des Hauswächters, der nachzusehen habe, was hier vorgehe. Mit feurigen Blicken verfolgte Liese jede Bewegung des Hundes, und als er sich unterstand, eine der Enten zu beriechen, schoß sie in voller Wuth auf ihn los und ohrfeigte ihn dermaßen, daß er heulend davonlief.
Am Abend wurden die Enten in den Korb gesteckt und die Katze entfernt; sie hielt die ganze Nacht vor der Thür Wacht und war am Morgen sofort, als die Thür geöffnet wurde, wieder bei ihren Pfleglingen und leckte alle nach der Reihe mit größter Zärtlichkeit. Und doch schien ihr heute an den Thierchen Manches nicht zu passen: die Schnäbel und die breiten Schwimmfüße waren ihr nicht recht. Wirklich machte Liese den Versuch, diese sie störendem Auswüchse zu beseitigen. Sie faßte dieselbe mit den Zähne und zog sanft daran, aber sobald das Gepackte schrie, ließ sie es los und miaute in beruhigender Weise. Endlich ließ sie bestehen, was nicht mehr zu ändern war. Desto großer wurde ihr Pflegeeifer. Fiel eines der kleinen Geschöpfe auf den Rücken, so brachte sie es geschickt mit den Pfote in die Höhe, faßte es dann am Halse und trug es vorsichtig in den Korb unter dem Herde. Dadurch hatte sie sich so viel Vertrauen erworben, daß man sie im Korbe mit schlafen ließ.
Am fünften Tage dieses gemüthlichen Zusammenlebens sollte die Henne, von ihrem Ausbrütegeschäft befreit, bei den Enten in ihre Mutterrechte eintreten. Man entfernte die Katze, setzte die Enten in einen viereckige Behälter im Garten und ließ die Henne zu ihnen. Sie eilte mit denn freudigsten Lauten zu ihrer Schaar, gluckste und lockte, – aber vergeblich! Die Enten fürchteten sich anfangs vor ihr und schienen erst nach und nach zutraulicher zu werden. Als man aber gegen Mittag wieder nach der Gesellschaft sah, lag Liese, die kläglich miauend nach ihren Lieblingen herumgesucht hatte, mit ihnen in einer Ecke des Gartens, und die Henne saß ganz allein in einer andere Ecke.
Um diese mit ihrer Brut allein zusammen zu bringen und letztere an sie zu gewöhnen, brachte man sie in die Schneidemühle jenseits des Mühlgrabens. Liese, welche nachlief, wurde zurückgejagt. Da erhob sie aber ein so klägliches Jammergeschrei, daß die Hausherrin ihr doch die Thür öffnete. Die schlimme Folge davon zeigte sich freilich am andern Morgen. An den herumliegenden Federn sah man, daß Katze und Henne gekämpft hatten; die Enten waren auseinander gestoben und eine derselben fehlte. Natürlich kam Liese in den schlimmsten Verdacht und wurde sofort hinausgeprügelt. Bald aber mußte man ihr Abbitte thun, denn nach kurzer Zeit hatte sie die fehlende kleine Ente gefunden, trug sie im Maule die Treppe herauf und setzte sie in der Kochstube nieder.
Noch am neunten Tage war es der Henne nicht gelungen, die Zuneigung ihrer Brutkinder zu gewinnen. Wenn man Liese von ihnen getrennt hatte, so hockten sie alle an der inneren Seite der Thür, so lange bis die Katze vor derselben miaute. Endlich entdeckte Liese zwischen Thür und Schwelle einen Spalt von ein paar Zoll Weite. Durch diesen lockte sie die ganze Schaar heraus, um sie über den Steg in’s Haus herüber zu führen. Die Treppe herunter kollernd fielen drei davon in’s Wasser. In diesem Augenblicke zeigte Liese wahrhaft menschliche Ueberlegung. Sie sprang nicht gleich den Dreien nach, die anderen ihrem Schicksale überlassend, sondern sie brachte erst die acht kleinen Enten in Sicherheit und lief dann den dreien zu Hülfe. Schreiend rannte sie am Ufer hin und her, bis die Enten zu ihr hinruderten und sich, eines um das andere, von ihr forttragen ließen.
Die Zeit änderte und endete auch dieses seltsame Verhältniß. Thatsache ist’s, daß Liese die Henne nie mehr in die Nähe ließ und oft den ganzen Trupp der Hühner sammt dem Hahne davonjagte, wenn sie das Futter ihrer Pfleglinge benaschen wollten. Ein köstlicher Anblick war es, wenn sie mit ihrer Schaar durch den Garten zog und an schmutzige Stellen gerieth, wo es den Enten am besten gefiel. Welche Mühe mit Zunge und Pfote gab sich das reinliche Thier, um sie zu säubern! Und folgten sie gar ihrem Triebe in’s Wasser des Mühlbachs, so lief sie, ängstlich schreiend, am Ufer hin und her und lief ein kleines Stück hinein, um die jungen Thiere heraus zu ziehen. Bis sie halbwüchsig wurden, ließen sie sich auch ihr absonderliches Spiel mit ihnen gefallen, denn Liese nahm sie wie Bälle in die Pfote und kollerte sie herum. Dann aber sperrten sie schon die Schnäbel gegen sie auf und zischten sie an, wenn Liese dieses Spiel mit ihnen treiben wollte.
Jetzt sind aus den Entchen große, prachtvolle Enten geworden, und das ist ohne Frage hauptsächlich Liese’s Verdienst, welche sie gegen jeden Feind und jede Unbill gewissenhaft und tapfer beschützt hat. Ganz kann sie noch heute diese schöne Zeit ihrer Muttersorgen nicht vergessen, denn noch heute sucht sie mit Vorliebe ihre Ruhestätte auf dem Entenstall auf.18.
Trotzdem war die Überzeugung, daß das die Mutter, beziehungsweise das Kinder seien, stark genug, daß das Verhalten der Katzenmutter und der Entenküken gegenseitig akzeptiert wurde. Hierbei muß man, da das Huhn nicht als "bessere Mutter" akzeptiert wurde, davon ausgehen, daß sie die Katze für ihre Mutter halten. Der Katze muß bewußt gewesen sein, daß sie die Küken nur adoptiert hat, dennoch war ihre Bindung an die Küken stark genug, daß sie sie gegen jeden verteidigte, dem sie zutraute, er könne eine Gefahr für ihre Adoptivkinder sein.
Worauf genau Küken reagieren, wenn sie lernen was von all dem um sie herum wohl die Mutter sein mag, untersuchte Konrad Lorenz an jungen Graugänsen. Graugansküken lernen das Aussehen ihrer Mutter in den ersten zwanzig Stunden auswendig. Diese Prägephase erreicht nach ca. 13-16 Stunden ihr Optimum und wenn die ersten 20 Stunden vergangen sind, kann man die Küken praktisch nicht mehr auf ein Muttertier prägen. Lorenz stellte fest, daß den Küken durchaus Informationen angeboren sind, die ihnen sagen, wer ihre Mutter sein muß: Eine Mutter muß sich nämlich bewegen, kurze rhythmische Geräusche machen, das Pfeifen des Verlassenseins mit Geräuschen beantworten und größer sein als die Küken. Die Entenküken bekamen in ihrer sensiblen Phase ständig die Katze zu sehen, die ihr Piepsen beantwortete, daher waren sie fortan der Ansicht, diese wäre ihre Mutter. Man kann sie aber auch auf einen mittels Lautspecher rhythmisch tutenden Fußball oder einen Holzklotz prägen, wenn der künstlich bewegt wird, beispielsweise wenn man ihn an einer Stange mit einem Motor im Kreis bewegt und kein besserer Auslöser zur Verfügung steht. Dennoch ist die Prägung artspezifischer als man zunächst meinen könnte. Menschengeprägte Graugänse brauchten drei Wochen, um einen großen bärtigen Mann von einer eher kleineren Frau unterscheiden zu lernen. Sie können aber ihre eigenen Eltern schon nach drei Tagen von jeder fremden Gans unterscheiden, obwohl Graugänse umgekehrt für Menschen alle gleich aussehen und es uns schwer fällt, sie voneinander unterscheiden zu lernen.19. S.136; 21. S.324ff
Den jungen Vögeln sind also durchaus Informationen darüber, wie eine Mutter zu sein hat und wie man Mütter von anderen derselben Art unterscheiden kann, angeboren. Das Jungtier reagiert auf dasjenige Wesen, das diesen Auslösemechanismen am Besten entspricht und gibt sich im Notfall auch mit einem tutenden Fußball zufrieden, wenn der sich zur rechten Zeit in dessen Nähe selbstständig bewegt. Warum die Küken wilder Gänse, Enten und Schwäne trotzdem gewöhnlich das richtige Tier als Mutter kennenlernen, wird klar, wenn man sich ansieht, was die Elterntiere während dieser Prägephase tun. Sie bleiben nämlich zunächst am Nest und kümmern sich intensiv um ihren Nachwuchs. Wenn alle geschlüpft sind, führt die Mutter die Küken zum Wasser. Genau in der Phase wo sie das tut, ist die Wirkung der Prägung am stärksten, danach ist es unmöglich das Küken noch auf ein anderes Wesen zu prägen. Daher konnte das Huhn sich in der obigen Geschichte nicht mehr als Mutter etablieren, obwohl es den angeborenen Auslösemechanismen besser entsprach als eine Katze.
Warum die Enten mit diesen ungenauen Auslösemechanismen besser bedient sind als sie es mit genaueren wären, läßt sich eben von der Geschichte mit der Katze ablesen. Sie ist zwar ein Raubtier, aber wenn sie die jungen Enten nicht sofort frißt - wogegen die Kleinen nichts hätten tun können - sondern sie sogar adoptiert, ist sie durchaus in der Lage das Überleben solch kleiner Entchen zu sichern, bis sie selbstständig werden. Ein Schwan oder eine Graugans, die die Entchen als Nachwuchs adoptiert hätte, hätte sie sogar völlig angemessen versorgt.
Schwanennest mit schlüpfenden Küken im Naturschutzgebiet "Bislicher Insel", Xanten.20. Während die Küken nach und nach schlüpfen, kümmert sich die Schwanenmutter intensiv um ihren Nachwuchs. Im Hintergrund ist der Vater zu sehen, der das Nest bewacht und verteidigt. Bei wilden Enten kann man das meist nicht beobachten, da das Muttertier sein Nest beschützt, indem es das so gut wie möglich versteckt und Feinde im Zeifelsfall weglockt, indem es tut, als hätte es einen gebrochenen Flügel. Die wehrhaften Schwäne, die Menschen und andere große Feinde im Zweifelsfall eher verjagen, werden öfter auf dem Nest beobachtet und fotographiert. |
Eine sensible Phase ist also ein Zeitraum indem ein Tier etwas bestimmtes lernen kann. Die Instinkte legen Kriterien fest, an denen das betroffene Individuum erkennt, was von den von außen angebotenen Reizen dasjenige ist, was es zu lernen gilt. Wenn die angebotenen Reize nicht perfekt in das zu erwartende Schema passen, wird der am Besten passende Reiz gewählt und gelernt. Bei Abweichungen gibt es Versuche, den angebotenen Reiz den eigenen Erwartungen anzupassen.
Menschen haben eine sensible Phase für das Sprechenlernen. Menschen lernen Sprachen in der Kleinkinderzeit reltiv mühelos, sind aber danach nur mit einem sehr sorgfältigen Unterricht in der Lage die Aussprache, die Grammatik und das Sprachgefühl für ene andere Sprache richtig zu erfassen. Wird diese sensible Phase in der frühen Kindheit völlig verpaßt, lernen Menschen ihr ganzes Leben lang nicht richtig sprechen6. S.203ff; 7. S.19ff, S.257ff; 36..
Ursprünglich wurde die Lage der beiden wichtigsten für die Sprache relevanten Gebiete, nämlich das Broca-Zentrum und das Wernicke-Zentrum über solche Folgen von Gehirnschäden einerseits und andererseits darüber, was passiert, wenn man das Gehirn bei Operationen an bestimmten Stellen elektrisch reizt, kartiert. Durch die Verbesserung der bildgebenden Verfahren, die die Aktivität des Gehirns, während es normal arbeitet, messen, wurde dann deutlich, daß bei der Sprachverarbeitung noch einige andere Gehirnbereiche eine Rolle spielen.23. Wie immer in der Evolution sind diese auf Sprache spezialisierten Gehirnbereiche nicht aus dem Nichts entstanden, sondern haben sich aus anderen Gehirnbereichen herausdifferenziert, die verwandte Funktionen haben. Da die Bereiche, die Umweltgeräusche erkennen und richtig zuordnen, Musik wahrnehmen und die zum Sprachverständnis nötigen Bereiche nahe beieinanderliegen, sind häufig auch alle gemeinsam geschädigt, was dann Generalisierte auditive Agnosie genannt wird.Wenn durch einen Gehirnschaden die Sprache ausfällt
Die Werbetexterin Ingrid Tropp Erblad landet wegen einer Gehirnblutung im Krankenhaus. Am morgen nach einer Operation stellt sie fest, daß ihr bei dem Versuch zu sprechen nicht mehr die richtigen Worte einfielen und daß ihr zu den Worten nicht mehr die richtigen Buchstaben einfielen, wenn sie sie schreiben wollte. Das war darauf zurückzuführen, daß durch die Operation unerwarteterweise ein Teil des Sprachzentrums abgestorben war. Die Frau hatte Glück, denn es gelang ihr, durch ein unterstützendes persönliches und berufliches Umfeld und viel Übung, ihre sprachlichen Fähigkeiten weit genug wiederzugewinnen, um wieder in ihren alten Beruf zurückkehren zu können. Die Autorin beschreibt, daß sie auch das Gefühl hatte, nicht mehr richtig denken zu können, doch beim Lesen des Buches hat man den Eindruck, daß sie aus ganz normalen Gründen ganz normale und kluge Entscheidungen trifft, die allerdings sehr stark durch die Verunsicherung beeinflußt war, die daraus entstand, daß sie sich sprachlich kaum ausdrücken konnte. Sehr wahrscheinlich hat sie denken sehr stark mit sprachlichen Denken identifiziert und fühlte sich deshalb behinderter als sie war.25.
Gehirnbereiche, die beim Umgang mit Sprache eine Rolle spielen35.
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Gabrielle Simcock, Harlene Hayne:Die magische Schrumpfmaschine
Um sicherzustellen, daß das Ereignis, mit dem sie das Gedächnis kleiner Kinder erforschen wollten unvergeßlich war, dachten sich die Forscher eine magische Schrumpfmaschine aus, mit der sie vorgaben, Spielzeuge verkleinern zu können. Drei Gruppen von Kindern wurden hiermit getestet, indem sie das Gerät vorgeführt bekamen und ihnen in einer zweiten Sitzung beigebracht wurde, wie man es bedient. Die Jüngsten waren im Schnitt 27 Monate alt, die mittlere Gruppe 33 Monate und die älteste 39 Monate. Entweder ein halbes oder ein ganzes Jahr später wurde geprüft, wie viel sie davon noch Erinnerung hatten. Zunächst wurden sie an das Ereignis erinnert und dazu befragt, an was sie sich erinnern konnte, ohne daß ihnen ein Bild oder die magische Schrumpfmaschine gezeigt wurde. Dann sollten sie aus Bildern Gegenstände heraussuchen die bei dem Spiel eine Rolle gespielt hatten und als dritten Schritt sollten sie vorführen, wie die magische Schrumpfmaschine funktioniert37..Zur Beschreibung der Erinnerungen benutzte keines der Kinder ein Wort, das es noch nicht gekannt hatte, als ihm die Maschine zuerst vorgeführt worden war. Das hieß jedoch nicht, daß die Kinder die Ereignisse völlig vergessen hatten, denn sie konnten die mit der magischen Schrumpfmaschine geschrumpften Spielzeuge trotzdem gelegentlich identifizieren, wenn man ihnen Fotos zeige und sie waren auch in der Lage Teile der Schrumpfprozedur richtig vorzuführen, wenn man ihnen das Gerät hinstellte.37.
Spätere Veruche zeigten, daß Kinder auch in der Lage sind, mehr von ihren Erinnerungen zu beschreiben und neue Wörter zu benutzen, wenn sie die bei der Frage nach Erinnerungen der magischen Schrumpfmaschine, die damals verwendeten Teile vor Augen hatten. Bei der jüngsten Teilgruppe halfen die Photos nicht weiter, wohl jedoch die realen Gegenstände.38.
Auch wenn ähnliche Gegenstände - zum Vergleich wurde ein Verrückter Verdoppler erfunden - verwendet wurden, um den Kindern die Situation in Erinnerung zu rufen, verbesserte das die Fähigkeit der Kinder, ihre alten Erinnerungen in neue Worte zu fassen und alle Kinder verwendeten neue Worte in ihren Beschreibungen.38.
Um neue Worte für eine Erinnerung zu finden, brauchen sie also die Gegenstände, die sie mit den neuen Worten bezeichnen sollen vor Augen, sie können aber keine Erinnerungen für die sie, als es geschehen war noch keine Worte hatten, nachträglich ohne eine solche Hilfe in Worte übersetzen. Für die bei den ersten Vorführungen 20 Monate alten Kinder, reichen Photos nicht als Erinnerungshilfe, während ihnen die Geräte selbst bei der Findung neuer Worte für eine alte Erfahrung halfen.
6 Jahre später, wurden ein Teil der in der ersten Studie untersuchten Kinder erneut befragt und 20% erinnerten sich auch an das Ereignis. Zwei der jetzt 8-10-Jährigen waren in der Lage, neu erlernte Wörter zur Beschreibung der erlebten Situation zu verwenden, obwohl sie die Gegenstände nicht vor Augen hatten.38.
Die meisten Menschen, so erfuhr ich, denken in Worten. Sprache hat so erhebliche Nachteile, daß ich sie nicht zum Denken benutze, es sei denn, ich überlege mir gerade die beste Formulierung, um einen Gedankenkristall in Sprache zu übersetzen.
Sprache ist eindimensional, man kann immer nur ein Wort nach dem anderen denken. Die sprachlichen Gedanken sind sozusagen aufgereiht wie Perlen auf einer Schnur. Sprache ist langsam, verglichen mit nichtsprachlichem Denken.
Beispielgeschichte, Kersti:Menschen, die überwiegend sprachlich denken, können tatsächlich oft nicht aufhören zu denken.Tiere können nicht denken, aber Menschen können nicht aufhören zu denken
Ein Bekannter sagte:
"Tiere können nicht denken, aber Menschen können nicht aufhören zu denken."
Ich war verblüfft, denn in meinem Kopf herrschte oft minutenlang völlige Stille. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie das Leben wäre, wenn es anders wäre.Eine weitere Steigerung erreichte das, als ich das Buch " Die lautlose Stimme der einen Hand." über Zen-Buddhismus von Lies Groening las. Dort stand, daß diese Gedankenstille das große Ziel sei und man sie nur nach jahrelangem Meditieren erreichen könne. Ich hatte immer gedacht, daß das der Normalzzustand des Menschen sei.1.
Ich schildere, wann immer möglich, selbst erlebte Beispiele. Das tue ich nicht, weil es keine anderen gäbe, mit denen man dasselbe belegen kann, sondern weil ich die Literatur mit neuen, zusätzlichen Beispielen bereichern will.
VA272.
Wenn meine Beispiele alle von mir handeln - heißt das etwa,
daß ich selbstbezogen bin?
Selbst erlebte Beispiele sind - da sie aus erster Hand sind - genauer beschrieben als Beispiele aus meiner Praxis, wo ich die Erklärungen meiner Patienten mißverstanden haben könnte und sie deshalb möglicherweise falsch wiedergeben könnte.
V175.
Kriterien zum Bau eines realistischen Weltbildes:
Realitätsnähe
Und diese sind genauer und richtiger als aus der Literatur übernommene Beispiele, da ich bei diesen die betroffene Person nicht einmal persönlich kenne und das Beispiel deshalb möglicherweise in einen falschen Kontext einordne.
Weitere Quellen waren:
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5,
34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615,
https://www.kersti.de/,
Kersti_@gmx.de
Da ich es leider nie schaffe, alle Mails zu beantworten, schon mal
im voraus vielen Dank für all die netten Mails, die ich von
Lesern immer bekomme.